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Propagandistisch deutscher Vorzeigekünstler

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Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus: Ein Buch wartet mit neuen Ergebnissen auf
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Angesichts zahlreicher Veröffentlichungen zu Leben und Werk Hans Pfitzners seit dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere der Periodika der Hans-Pfitzner-Gesellschaft und der wiederholt von diesem Verein durchgeführten wissenschaftlichen Symposien, der umfangreichen Biografie von Bernhard Adamy (1980) und des 1987 erschienenen Nachtragsbandes „Sämtliche Schriften“, hätte man annehmen müssen, es gäbe keine weißen Flecken in der Vita des Komponisten, Musikschriftstellers, Dirigenten, Regisseurs, Pianisten und Lehrers.

Angesichts zahlreicher Veröffentlichungen zu Leben und Werk Hans Pfitzners seit dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere der Periodika der Hans-Pfitzner-Gesellschaft und der wiederholt von diesem Verein durchgeführten wissenschaftlichen Symposien, der umfangreichen Biografie von Bernhard Adamy (1980) und des 1987 erschienenen Nachtragsbandes „Sämtliche Schriften“, hätte man annehmen müssen, es gäbe keine weißen Flecken in der Vita des Komponisten, Musikschriftstellers, Dirigenten, Regisseurs, Pianisten und Lehrers.Auf allerlei bislang unbeachtete, braune Flecken ist Sabine Busch in ihrer Dissertation „Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus“ gestoßen, die im Verlag J.B. Metzler erschienen ist. Denn tatsächlich hat die Autorin eine Reihe noch nicht wieder veröffentlichter Texte und zum Teil wohl auch wissentlich unterdrückter Absätze der in Band 4 der Schriften abgedruckten Aufsätze aufgetan. Ihre immense Fleißaufgabe – Busch hat offenbar alle Tageszeitungen in der Zeit des Dritten Reichs ebenso durchstöbert, wie diverse Staats- und Bundesarchive – hat sich gelohnt. Die Ergebnisse sind säuberlich aufgearbeitet, einwandfrei indiziert und sorgen nicht für neue Fronten.

Deutlich wird, dass Hans Pfitzner sich sehr darum bemüht hat, als „Deutschester“ der Komponisten im Dritten Reich anerkannt und gewürdigt zu werden, dass aber alle Versuche, ihn in Aufführungspflege und Ehrung zum führenden Komponisten des Regimes zu machen, von Berlin aus gebremst wurden. Einerseits hatte Hitler den Komponisten bereits 1923 im Schwabinger Krankenhaus aufgesucht und dabei sofort Antipathie für den vermeintlichen russischen Halbjuden empfunden, weshalb er auch Aufführungen seiner Werke stets bewusst gemieden hat. Zum anderen hatte aber der Komponist selbst, durch seine gereizte Art, durch vervielfältigte „Denkschriften“ und durch Querulantentum, durch eigene Gehässigkeiten, forciert noch durch die seiner Apologeten, sich selbst immer wieder entscheidende Möglichkeiten verbaut.

Obwohl aus Pfitzners Freundeskreis Witze des Komponisten und desavouierende Sprüche überliefert sind (so soll er Hitler den „entfesselten Proletheus“ genannt haben), schrieb Pfitzner 1934 und 1936 feurige Wahlaufrufe für Hitler, stets im Bemühen, endlich in seiner Bedeutung als wichtigster Vorkämpfer für das Dritte Reich anerkannt zu werden. Dabei berief er sich insbesondere gern auf sein gegen den jüdischen Rezensenten und Intendanten Paul Bekker gerichtetes Pamphlet „Die neue Ästhetik der musikalischen Impotenz“ aus dem Jahre 1919.

Parallel zu Pfitzners antisemitischen Äußerungen aber ist – auch noch in der NS-Zeit – sein Einsatz für seine jüdischen, deutschnationalen Freunde, wie für den Publizisten Paul Nikolaus Cossmann, seinen Schüler Felix Wolfes oder für den Pfitzner-Regisseur Otto Erhardt zu konstatieren. Besondere Beachtung erfahren bei Busch die – mehr als ambivalenten und zumeist seitens Pfitzners undankbar beendeten – Freundschaftsbeziehungen: zu Thomas Mann, dessen Flucht ins Exil Pfitzner durch seine Unterschrift auf dem Münchner Protest gegen Manns Wagner-Vortrag mit bewirkte, zu Paul Cossmann, der im KZ Theresienstadt umkam, was Pfitzner in einem Brief mit „in Theresienstadt friedlich entschlafen“ umschrieb, zu Bruno Walter, der emigrierte und Pfitzner 1945 einen der 41 „Persilscheine“ lieferte, die zur Entnazifizierung des Komponisten führten, und zum Polen-Gouverneur Hans Frank, dem berüchtigten „Schlächter von Auschwitz“, dem Pfitzner sein Orchesterwerk „Krakauer Begrüßung“, op. 54 widmete und vor der Hinrichtung noch ein tröstendes Telegramm ins Nürnberger Gefängnis sandte, aber die „enge Beziehung“ zu Frank vor der Spruchkammer leugnete.

Busch weist nacht, dass Pfitzner im Dritten Reich mehr Ehrungen erhielt, als allgemein bekannt, insbesondere aus Anlass seines 65., 70. und 75. Geburtstages. Nach dem Ende der Weimarer Republik wurde der Komponist im besetzten Ausland, in Belgien, Frankreich, Polen und Posen, als „propagandistisch deutscher Vorzeigekünstler“ (Busch), als Aushängeschild deutscher Kultur gespielt und geehrt. So erhielt er in Posen, wo auch sogleich eine Straße nach dem Komponisten benannt wurde, den für ihn eigens verdoppelten Musikpreis des Reichsgaues Wartheland. Eine kleine Episode in diesem Zusammenhang zeigt einerseits, wie genau Busch recherchiert hat, andererseits, wie kleinlich Pfitzner auch in Alltagsdingen war: „Der Meister, dessen Geldbeutel von den erhaltenen 20.000 Reichsmark Preisgeld sowie seinem Dirigierhonorar gut gefüllt war, erregte Missstimmungen, weil er sich vom zufällig im gleichen Zug reisenden Landeskulturverwalter unbedingt 16 RM für die Umschreibung der Fahrkarten von 1. auf 2. Klasse ausstellen lassen wollte.“

Der Anhang des Buches bringt unter anderem ein Faksimile von Pfitzners bislang unbeachteter Widmung des „Palestrina“-Klavierauszuges an Mussolini, aber auch die vor Gericht gebrachte Erklärung Pfitzners, warum er sein Eheversprechen einer Frau Sch. gegenüber nicht einzulösen bereit war. Eine lesenswerte und gut lesbar geschriebene Arbeit, nicht nur was die unbequeme Persönlichkeit des Komponisten angeht, sondern auch im Hinblick auf heftig divergierende kulturelle Bestrebungen der einzelnen Kulturverantwortlichen im Dritten Reich, wie auf die äußerst sorgfaltslosen Vorgänge der „Entnazifizierung“ in Deutschland.

Sabine Busch: Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-45288-3, 422 S., geb., 34,76 E

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