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„Die Pecorinos“ Ein Krimi-Mäusical
„Die Pecorinos“ Ein Krimi-Mäusical
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Reise durch die Genres

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Kinderjury vergibt zum sechsten Mal den Medienpreis „Poldi“
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Seit 1997 verleiht der Verband deutscher Musikschulen den Medienpreis Leopold und zeichnet damit besonders gelungene Musikproduktionen für Kinder aus. Zum mittlerweile sechsten Mal stand dabei wieder eine Kinderjury vor der Aufgabe, den Sonderpreis „Poldi“ zu vergeben. Ein tolles Erlebnis für die Schüler/-innen aus der Klasse 6cm vom Kölner Humboldt-Gymnasium.

Bereits sechs Wochen vor den Sommerferien haben die 32 Jurykinder damit begonnen, sich die nominierten Musikproduktionen anzuhören. Eine Aufgabe, die teils unerwartete Probleme mit sich brachte: „Ich hatte zum Beispiel eine CD, die war für sechsjährige. Die höre ich natürlich nicht mehr so“ erzählt der 12-jährige Tom. Zum Glück hatten die Kinder kompetente Hilfe. Ihre Musiklehrerin Frau Badde sorgte während des Bewertungsprozesses für die nötige Struktur. Denn die 28 Einzelproduktionen mussten nicht nur in Kleingruppen vorgehört und analysiert, sondern anschließend auch vor der Klasse präsentiert werden. Damit standen den Schülern lange Unterrichtsstunden bevor, was nicht bei allen Begeisterung hervorrief: „Diese ganze Bewertung, das hat sich schon etwas in die Länge gezogen“ gibt der 11-jährige Emil zu. Aber nichts desto trotz hat ihm die Arbeit Spaß gemacht. „Schließlich ist es schon etwas Besonderes, wenn Kinder selbst darüber entscheiden dürfen, welche Musik gute Musik für Kinder ist.“ 

Selbst mitbestimmen, Verantwortung übernehmen und objektiv bewerten lernen: Der „kleine Bruder“ vom Leopold macht besonders aus pädagogischer Sicht Sinn. „Das Erstaunliche ist, dass die Kinderjury im Grunde genommen immer die gleichen Sachen gut findet, die auch die Erwachsenenjury gut findet“ resümiert Winfried Richter, Vorsitzender des Verbandes der deutschen Musikschulen, dass auch sie dabei hohe Ansprüche stellen, zeigt ihr diesjähriges Votum:

„Die Pecorinos“
Ein Krimi-Mäusical 

Terzio, Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH, München
Für Kinder ab 7 Jahren

Mit dem Krimi-Musical „Die Pecorinos“ (Terzio-Verlag, München) zeichneten sie eine Produktion aus, die musikalisch absolut überzeugt. Komponist Franz David Baumann unternimmt in den dreizehn Musiktiteln eine Reise durch die verschiedenen Genres moderner Jazzmusik, ohne dabei in virtuose Improvisationen abzudriften und setzt damit einen gelungenen Kontrapunkt zum musikalischen Mainstream. Die im beiliegenden Buch schön illustrierte Geschichte von der Mäuseband Pecorinos wirkt dagegen zwar leider etwas bemüht, sorgte bei der Kinderjury aber sicherlich für Sympathiepunkte. 

Für die Schüler/-innen der 6cm war die Juryarbeit ein spannendes Erlebnis. Als Musik-Experten gefragt zu sein und ernst genommen zu werden, hat sie dabei besonders stolz gemacht. Die Erwachsenenjury tut sicher auch weiterhin gut daran, sie bei diesem wichtigen Preis mit einzubeziehen. Dieser Meinung ist zumindest Jurykind Paula, denn „Kinder haben einfach eher den Geschmack von Kindern.“ 

Thomas Hartmann


„Alice im Wunderland“
Orchesterhörspiel
headroom Verlag, Köln
Für Kinder ab 6 Jahren

Sollte es schon erste Forschungsvorhaben zum Thema Intertextualität in musikalischen Kinderhörspielen geben, so könnte vielleicht die Frage geklärt werden, warum sich der Hutmacher in dieser Alice-Version anhört wie Bös Sprechender Hut aus „Ritter Rost“. Ansonsten gibt diese sorgfältig produzierte CD keine Rätsel auf. Lewis Carrols doppelbödiger Klassiker ist auf eine problemlos verdauliche Länge eingedampft, um eine etwas biedere Rahmenhandlung ergänzt und mit einer Partitur unterlegt worden, die sich munter dort bedient, wo es für dramaturgisch-atmosphärische Zwecke etwas zu holen gibt: Henrik Albrecht greift recht unverhohlen, aber geschickt auf eine Klangpalette zurück, die von Mussorgskys Küken, über Prokofjews Vogel und Katze, Rimsky-Korsakows Märchenerzählerin bis zu John Williams’ Harry-Potter-Score reicht. Die Flöte, der ein kleiner Exkurs gewidmet ist, dient als Leitinstrument, das Alice immer wieder den Weg weist. Von der NDR Radiophilharmonie unter Andreas Hempel auf hohem Niveau eingespielt und vor allem von Stefan Kaminski, der in alle Wunderland-Rollen schlüpft, stimmungssicher gelesen, bietet diese Scheibe solide Unterhaltung fürs Kinderzimmer. Gleichzeitig wirft sie aber die Frage auf, wozu Komponisten heute zur Feder greifen, wenn sie am Ende doch nur wieder das abliefern, was in Familienkonzerten an Klassikern ohnehin präsent ist. Etwas mehr Mut zu einer eigenständigen Musiksprache, die dann wiederum durch die Attraktivität des Hörspiels bestens transportiert werden könnte, würde nicht schaden.

Juan Martin Koch


„Das Orchester zieht sich an“
Eine musikalische Lesung
cbj audio, ein Label von Random House Audio, Köln
Für Kinder ab 6 Jahren

Wertung der Erwachsenenjury: Was daran interessant, komisch oder gar spannend sein könnte, vom Robert-De-Niro-Synchronsprecher Christian Brückner schwerfällig vorgelesen zu bekommen, wie viele Männer sich vor einem Konzert ihre Hose im Stehen und wie viele im Sitzen anziehen, bleibt bei dieser Produktion nach einem 1982 erstmals erschienenen amerikanischen Bilderbuch von Karla Kuskin schleierhaft. Komponist Marius Felix Lange versucht sich mit seiner Hintergrundmusik, die mangels dramaturgischer Anknüpfungspunkte größtenteils beliebig vor sich hinplätschert, phasenweise und mit wechselndem Erfolg an einer Leonard-Bernstein-Stilkopie. Nach einer halben Stunde, von der fast neun Minuten dem Finalsatz der Jupiter-Sinfonie gewidmet sind (denn – so die große Überraschung – es war ein Orchester, das sich da anzog), ist die CD auch schon wieder aus. Eine Zugabe vom Kölner Gürzenich-Orches­ter unter seinem Chef Markus Stenz, vielleicht in Form der kompletten Mozart-Sinfonie? Fehlanzeige. Das Booklet? Lieblos mit Lobeshymnen auf die Mitwirkenden befüllt, die kein Kind interessieren dürften.

Ratlos und ohne vorherige Einflussnahme übergibt der Rezensent den Tonträger an die heimische Kinderjury (weibl., 9 Jahre), die zu folgendem Urteil kommt: „Ist schon irgendwie langweilig, aber die Musik ist ganz schön. Und lustig ist der eine, der sich was Besonderes anzieht. Das ist dann der Dirigent.“ Der Rezensent begibt sich ins Jobcenter.

Juan Martin Koch


„Wer hat die Kokosnuss geklaut?“ Lach- und Spaßlieder
Sternschnuppe Verlag GbR, Ottenhofen
Für Kinder von 4 bis 12 Jahren

„Nur selber singen ist lustiger“ steht als Motto über der neuesten Produktion des bayerischern Sternschnuppe Verlags, der seit vielen Jahren und mit hervorragenden Musikerinnen und Musikern (u.a. Mulo Francel, Quadro Nuevo, Saxophon und Klarinette; Martina Eisenreich, Violine und Reinhard Greiner, Trompete und Flügelhorn) gute Mitmachmusik in die Kinderzimmer bringt. Neben dem Titelsong findet man noch jede Menge andere spaßige Lieder wie „Meine Tante aus Marokko“, „Meine Oma fährt im Hühnestall Motorrad“ oder „Meine Biber haben Fieber“ auf der CD. Die Texte wurden behutsam modernisiert, so teilt die Tante aus Marokko via Mail mit, dass sie doch nicht kommt, die coole Oma hat ’nen Laptop mit Pedalen und ’ne Nase mit ’nem Piercing. Aus den politisch unkorrekten „Negerlein“ werden „Zehn kleine Gartenzwerge“, die allerlei Abenteuer als Piraten erleben und Seemannslieder mit Heino singen. 

Kurz und gut: selbst Erwachsene könne sich hier köstlich amüsieren. Gesungen wird das Ganze wieder von sechs begabten, teilweise sehr jungen Kindern, die auch die Überleitungen zwischen den Liedern moderieren: Magdalena Lechner, Marvin und Mara Mehnert, Fabian Parteli und Maria, Anna und Theresa Streitel. Im „Radio Kinderzimmer“ stellen sie ernste Fragen an „Dr. Witz“, berichten über einen Stau auf der DIN A 4 und fliegen rückwärts zu den Rittern. Sehr schön und nicht oft zu hören: die Klapphornverse von Karl Valentin „Zwei Knaben gingen durch das Korn“.

Ursula Gaisa


„Der Josa mit der Zauberfiedel“
Tänze auf dem Weg zum Mond

SchottMusic & Media GmbH, Mainz
Für Kinder ab 5 Jahren

„Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch“ – dieses Motto von Erich Kästner trifft sowohl auf den Kinderbuchautor und Maler Janosch als auch auf den Komponisten Wilfried Hiller zu. „Der Josa mit der Zauberfiedel“ – Tänze auf dem Weg zum Mond“ ist zu einem Gesamtkunstwerk der beiden Künstler geworden.

Der Geschichtenerzähler Janosch hat sich hier explizit um ein musikalisches Thema bemüht: Im Zentrum steht die Gabe, mit Musik Menschen zu verzaubern. Und nicht nur das: Janosch transformiert die Wirkung von Musik auf die menschliche Psyche ins Gesellschaftliche. Poesie und Politik: ein idealer Stoff für den Komponisten Wilfried Hiller, dessen Bühnenfiguren  – man denke etwa an Peter Pan, den Rattenfänger oder den Erdkobold Goggolori – nicht nur als Identifikationsfiguren für Kinder konzipiert sind, sondern in ihrer Vielschichtigkeit und Problematik immer auch die Erwachsenenwelt reflektieren. 

Für die neue Schott-Edition hat Elisabet Woska den Text aus drei unterschiedlichen Versionen eingerichtet und nimmt sich die Freiheit heraus, da wo die Musik anschaulich ist, auch den Text zu erweitern: Etwa wenn sie die Namen der Töne von Josas Lied  nennt, vorwärts und rückwärts und so en passant den Zuhörern anschaulich macht, was ein Krebs ist. Hillers Nachwort ist eine interessante Einführung in seine musikalische Gedankenwelt, die es den großen Zuhörern erlaubt, mit den kleinen Zuhörern auch über die Musik kompetent zu sprechen. Eine schöne Edition eines Kinderbuchklassikers.

Andreas Kolb


„Prinzessin Knöpfchen und Prinz Schleimi“
Das große Abenteuer-Musical

Carlsen Verlag, Hamburg
Für Kinder von 7 bis 10 Jahren

Prinzessin Knöpfchen wohnt mit ihren Eltern, dem Drachen Pfeife und einer sympathischen Räuberbande auf dem Bauch des Riesen Heiner, wo es sich gut leben lässt. Der Besuch von Prinz Silvano Silberlocke (auch genannt „Prinz Schleimi“) erweckt nicht nur Eifersuchtsgefühle beim Räuberhauptmann Warzenjohnny, sondern bringt auch einiges andere in Unordnung. Dass er mit seiner Bitte um Hilfe Böses im Schilde führt, merken Knöpfchen und die Räuber recht bald, während der nicht besonders helle Drache Pfeife sich von Silberlocke ganz schön einwickeln lässt. Gespickt mit etwas zu vielen technischen Details dort, wo es um Silberlockes Pläne geht, macht das Buch (mit umfangreichem Text) dennoch viel Spaß beim Lesen ebenso wie beim Anschauen der originellen Zeichnungen. Das Beste aber sind die Lieder auf der beiliegenden CD, die die Geschichte musikalisch umrahmen. Ob sich Knöpfchen und Warzenjohnny über das Küssen Gedanken machen („So ein Kuss, weißt Du was, ist vor allem ziemlich nass…“), ob die Untertanen des schleimigen Prinzen in betont pompösem und unverständlichem Duktus eine Hymne singen, ob eine bemerkenswerte Sammlung von kreativen Schimpfwörtern erklingt oder geeignete Situationen zum Ohnmächtigwerden (zum Beispiel, wenn es Spinat gibt) erörtert werden: Immer sind die Lieder geprägt von Schwung, Humor und bes-ter musikalischer Qualität. 

Josefine Becker


„Große Klassik für kleine Hörer“ 
Die Zeit-Edition

Sony Music Entertainment Germany GmbH, Berlin 
Für Kinder von 4 bis 11 Jahren

„Große KLASSIK für kleine Hörer“ ist der Titel einer Gemeinschaftsproduktion der Taschenphilharmonie München und der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Wie gewohnt richtet Peter Stangel, Leiter der Taschenphilharmonie, Meisterwerke wie Beethovens „Pastorale“, Dukas „Zauberlehrling“, Ravels „Ma mère l’oye“ und andere kunstfertig für sein kleines Ensemble ein. Kleine, von Stangel erfundene Geschichten umrahmen die Musik. Durch die solistische Besetzung der Stimmen werden die Melodiestrukturen der Stücke klarer deutlich und die Werke erhalten einen völlig neuen und aufregenden Charakter. Die Taschenphilharmonie umrahmt die Erzählungen in gewohnt musikalisch hervorragender Weise. Auch der Erzähler, Stangel selbst, verleiht den Geschichten Lebendigkeit, indem er den Figuren unterschiedliche Stimmen verleiht. Insgesamt geht das Konzept der Taschenphilharmonie bei dieser Reihe mal mehr, mal weniger auf. Manchmal würde man sich eine vollere Besetzung der Stimmen wünschen(z.B. ist der Gesangverein der Esel im „Karneval der Tiere“ nur mit einer Klarinette besetzt und klingt nicht nach einem Chor). Trotzdem ist das Konzept und die Idee der Taschenphilharmonie originell und schlüssig und für Schulen, Kindergarten, Livekonzerte und zu Hause bestens geeignet. Mit dieser Reihe ist es ihnen fabelhaft gelungen große Klassik für kleine Hörer aufzubereiten. Alles in allem eine wunderbare Gelegenheit seinem Kind klassische Musik auf spielerische Art und Weise näherzubringen.

Eva-Maria Koller

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