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Sensibilität, Innigkeit und Kontemplation

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Eine Max-Reger-Monografie im Pustet Verlag
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Die Person Max Reger (1873–1916) ist wegen unzähliger Anekdoten über ihren sarkastischen Witz und ihres ewigen Appetits auf Festes und Flüssiges fast bekannter als der Komponist Max Reger. Aus dem Konzertsaal kennt man seine Mozart- und Hiller-Variationen, von seinen zahlreichen Orgelwerken am ehesten „Phantasie und Fuge über B-A-C-H“. Aber wie vieles wäre zu entdecken: weitere Orchesterwerke, Lieder (mehr als Richard Strauss!) und Kammermusik, die fast alles Vergleichbare ihrer Zeit in den Schatten stellt.

Der Regensburger Pustet-Verlag hat in seine schöne Reihe „kleine bayerische biografien“ einen Band über Reger aufgenommen, verfasst vom WDR-Musikredakteur Michael Schwalb. Er ersetzt nicht die große Studie von Susanne Popp von 2016, ist aber, da Schwalb Politik und Gesellschaft fast ganz ausblendet, sich stattdessen ganz Person und Werk zuwendet, doch eine  informative Einführung in Leben und Werk dieses, wie Schwalb zu Recht sagt, „konservativen Modernisten“. Ergänzt wird der Text durch Einschübe mit Urteilen von Zeitgenossen und speziellen Werkanalysen.

Das ist das Frappierende an Regers Werk: Er hat zahlreiche, zu seiner Zeit fast vergessene oder abgelehnte musikalische Formen besonders aus dem Barock wiederbelebt und sie mit einer damals als revolutionär empfundenen Harmonik und Melodik gefüllt, was heftiges Pro und Contra hervorrief und ihm beispielsweise höchsten Respekt von Schönberg („ich halte Reger für ein Genie“) eintrug.

Schwalb zeichnet Regers Leben über seine Stationen in Wiesbaden, Weiden, München, Leipzig, Meiningen und Jena nach, beleuchtet dessen schwierige Ehe – wegen seiner rastlosen Konzertreisen – mit seiner Frau Elsa, nennt die wichtigsten Freunde und Förderer wie den Organisten und späteren Thomaskantor Karl Straube, verortet Regers Stellung zwischen anderen großen Komponisten wie Richard Strauss (der ihm mehrfach geholfen hat), Hans Pfitzner und Gustav Mahler (die beiden sind nie zusammengekommen!) und analysiert die so schwer zu verstehende Diskrepanz zwischen Regers äußerem, oft verletzenden Verhalten und seiner höchst sensiblen, in späteren Jahren oft zu Todesahnungen neigenden Mentalität, die Schwalb mit dem selbstgesetzten Anspruch zu ständiger Höchstleistung erklärt. Vor allem aber geht er ausführlich auf mehrere Genres in Regers Schaffen ein, wobei er besonderes Gewicht auf die wenig bekannte Kammermusik und auf die sinfonische Musik legt. In der Kammermusik hat Reger für nahezu alle gängigen Besetzungen geschrieben; sein letztes Opus überhaupt, das Klarinettenquintett von 1916, rückt der Autor in die Nähe von Mozart und Brahms. Überraschend wohl auch Schwalbes plausible Aussage, dass entgegen den Vorstellungen vom unbändigen, lärmenden Reger dessen Werke etwa ab 1912 immer stärker von großer Sensibilität, Innigkeit und Kontemplation gezeichnet sind.

Ein schwerer Zusammenbruch im Februar 1914 war ihm keine Warnung, mit dem Raubbau an Physis und Psyche aufzuhören. Zwei Jahre später, am 11. Mai 1916, ist Reger in Leipzig gestorben. Nach einem etwas makabren Irrweg ruht seine Urne heute auf dem Münchner Waldfriedhof.

  • Michael Schwalb: Max Reger. Der konservative Modernist, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2018, 144 S., Abb., € 12,95, ISBN 978-3-7917-2877-3

 

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