Susanne Koch: Stimme küsst leben. Wie Sie mit ihrer Stimme gesund und glücklich werden, Eigenverlag, Bonn 2021, 114 S., € 25,00, Abb., ISBN 979-8767678945 +++ Oliver Frischknecht: Reset Your Voice, ProLog, Muttenz 2022, 115 S., € 44,90, ISBN 978-3956771040
Zwei Bücher, die sich dem Wohlergehen der Stimme widmen, aus der Praxis für die Praxis. Im Fokus beider Bücher stehen Übungsprogramme für einen Weg zu einer gesunden physiologischen Stimmfunktion.
Schon der Titel „Stimme küsst leben“ verrät, dass in dem Stimm-Buch von Susanne Koch bildhafte Sprache und der Rückbezug auf Sensomotorik und emotionale Wahrnehmung im Vordergrund stehen, wenn die Autorin die Stimmfunktion erläutert und Übungen anleitet. Und dies nach dem Motto „schön einfach“, wie es im Vorwort steht. Es ist geeignet für alle, ob Laien oder Berufssprecher*innen, die für sich selbst mit der Stimme üben möchten. Chorleiter*innen, Gesangslehrer*innen, Sprechdozent*innen finden Anregungen für die praktische Arbeit im Unterricht.
Susanne Koch hat mit dem Buch einen roten Faden durch alle Bereiche der Stimmgebung erstellt, die sich ihr in ihrer 25-jährigen Arbeit als Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin, als wichtig und grundlegend erschlossen haben.
Wechselwirkung von Stimme und Nervensystem
Der Aufbau des Buches orientiert sich am Körper: von unten nach oben. Was hat es mit der Stimme zu tun, wie wir auf unseren Füßen stehen? Unser Stand ist die Basis, ebenso der Beckenboden, den Frau Koch als unsere „Homebase“ fürs Sprechen und Singen bezeichnet. Nach einem Exkurs zum Aufbau der Faszien erläutert sie die Verbindungen des Beckenbodens zu Atmung, Kiefer und Kehlkopf. Es hängt eben alles miteinander zusammen. Dann widmet die Autorin sich der nächsten Etage, dem Zwerchfell, als Sitz der Seele und Schlüssel der Stimme. Es folgen Beschreibungen, wie der Kehlkopf als „Motor“ und Lippen, Zunge und Gaumensegel als „Sprechwerkzeuge“ fungieren. Es werden jeweils die anatomischen und physiologischen Zusammenhänge in klarer fremdwortfreier und bildhafter Sprache erläutert. Ein besonderes Augenmerk gilt der Wechselwirkung von Stimme und Nervensystem, dem Nervus Vagus. Aber auch Nebenschauplätze wie Schluckauf und Schnarchen finden eine Erwähnung und veranschaulichen die Zusammenhänge. Im letzten Teil geht es um personale und emotionale Aspekte, die Identifikation mit der eigenen Stimme, um Präsenz und das Finden des individuellen Tons. Den Abschluss bilden Notfall-Übungen, wenn es der Stimme mal nicht gut geht, sowie zwei Köpermeditationen.
In die Kapitel integriert, finden sich insgesamt über 40 Übungen, die Lust machen, ausprobiert zu werden, denn sie sind einfach und die Anleitungen kurz und gut nachvollziehbar. Jeder Abschnitt ist von Tasha Arsalan liebevoll illustriert. Die Bilder von Kehlkopf, Atemapparat und Sprechwerkzeugen sind kleine Gemälde in leuchtenden Farben. Dazwischen finden sich Fallbeispiele, die Prozesse beschreiben, ohne zu bewerten und zu kategorisieren.
Ohne Anspruch auf wissenschaftliche Erklärungen und Literaturverweise ist dies ein liebevolles, humorvolles Buch, mit dem es Freude macht, zu arbeiten.
Stimmlicher Rehabilitationsprozess
Auch der Autor von „Reset your Voice“ ist ein Praktiker. Er arbeitet als Gesangspädagoge und Logopäde. Für die Entwicklung des Therapieprogramms hat der Autor Gesangspädagogikkonzepte und stimmtherapeutische Methoden auf ihre Vorgehensweise und Wirkungen untersucht. Darunter sind das „Estill Voice Training“, die Akzentmethode nach Smith, die „Primal Sounds“ nach Chapman, SOVT und „Lax Vox“. Die Konzepte werden vor dem Einstieg in den praktischen Teil kurz vorgestellt. Es folgen 34 Übungseinheiten, die in dem Spiralbuch jeweils auf zwei Seiten verteilt sind: links finden sich die Hinweise für Therapeut*innen und Stimmbildern*innen, um Ziel, Wirkungsweise und mögliche Fehlerquellen zu erläutern. Der Autor macht Vorschläge für mögliche Übungserweiterungen und/oder Varianten. Auf der rechten Seite geht es um die Durchführungsanleitung mit Notenbeispielen, die auch als Kopiervorlage für die Patient*innen dienen kann.
Auch wenn jede Stimmtherapie sehr individuell gestaltet werden muss, ist „Reset your Voice“ ein gut durchdachter roter Faden für den stimmlichen Rehabilitationsprozess. Der erste Teil widmet sich eher den Grundlagen, wie das Herstellen einer physiologischen abdominal-diaphragmalen Phonationsatmung. Die Stimmübungen mit semioccludem Vokaltrakt, wie das Blubbern mit einem Silikon Schlauch im Wasser, dienen zunächst der Regeneration des glottalen Schwingungsverlaufs. Weitere Themen, die behandelt werden, sind unter anderem Stimmeinsätze, der Registerübergang, Nasalität, Inaktivität der Zunge und der Vokalausgleich. Mit den Übungen im hinteren Teil, die dem „Primal Sound“-Programm entnommen sind, kann der Wiedereinstieg in die volle Leistungsstärke vorbereitet werden. Der Stimmumfang kann jeweils individuell angepasst werden. Sehr hilfreich ist dabei das Online-Videomaterial, in dem die Übungen demonstriert werden.
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und das Glossar für anatomische und physiologische Fachbegriffe und spezielle Bezeichnungen, die in den Konzepten verwendet werden, wie „puffy cheeks“ oder „whoop timbre“, erweisen sich als hilfreich. Auch in diesem Buch – hier in einem gesonderten Anhang – finden sich wunderbare farbige Zeichnungen von Alexander Düren, die die Anatomie, die Funktion und die Innervation der beim Singen beteiligten Muskeln erläutern.
Eine empfehlenswerte Zusammenstellung der „Best of“-Methoden zur Stimmrehabilitation, die geeignet ist für Stimmtherapeut*innen und für erfahrene Singende.