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Spätes Glück – so groß

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Vom Siegeszug der Barockoper im 17. und 18. Jahrhundert
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Unverhohlenes Staunen bestimmt immer wieder die Beiträge zu diesem zweisprachigen Sammelband. Dass „Hunderte von alten Opern auf die Bühnen zurückkehren, und nicht wenige von ihnen dort auf Dauer verbleiben werden“, wird von Sieghart Döhring, dem Präsidenten der Europäischen Musiktheater-Akademie, als die möglicherweise bedeutendste Leistung des Opernbetriebs seit den 80er-Jahren gefeiert. „Niemand hätte doch vor hundert Jahren für möglich gehalten, dass die Oper ihre Lebenskraft zu einem guten Teil aus der Rückbesinnung auf die Historie ziehen würde, und zwar nicht nur in der Restitution des Bestehenden, sondern auch in seiner schöpferischen Neudeutung.“ Freilich, so Döhring, könne bislang von einer „systematischen Erschließung der alten Oper für die Gegenwart keinesfalls die Rede sein“ – Nachholbedarf bestünde nicht nur hinsichtlich der französischen Oper insgesamt und der Opéra comique im Besonderen, sondern insbesondere auch hinsichtlich der Reintegration des Balletts in aktuelle Produktionen. An diesem Punkt dürften die Fragen der Finanzierbarkeit eine Schlüsselrolle einnehmen.

Als Ertrag einer Tagung in Paris haben die Wiener Musiktheaterwissenschaftlerin Isolde Schmid-Reiter und der Staatsopernintendant Dominique Meyer (vormals am Théâtre des Champs-Elysées) eine Material- und Stimmen-Sammlung zum Erfolgsweg der „Barockoper“ in den letzten drei Jahrzehnten vorgelegt (das am Pariser Prachtboulevard des 19. Jahrhunderts gelegene Theater wurde von Meyer als „ständiges Festival“ für alte Oper definiert). Die Herausgeber befleißigten sich eines „pragmatischen“ Umgangs mit dem titelgebenden Terminus. Sie vertrauten also auf einen marktorientierten, nicht kunst- oder musikgeschichtlich auf seine Sinnhaltigkeit hin befragten Begriff von „Barock“. „Le sujet était l’opéra du XVIIe et du XVIIIe siècle, sa mise en valeur et ses nouvelles interprétations, traité sous de multiples points de vue, avec comme référence particulière la situation actuelle.“

Die Bestandsaufnahme gilt dem Spezial-Markt, der Spezialisierung von Ensembles für die Musik des 17. und 18. Jahrhunderts wie der immensen Verbreiterung des wieder ins öffentliche Interesse gerückten Komponisten-Spektrums. „Das Auswahlprinzip, große Komponisten bleiben erhalten, Kleinmeister gehen unter, wie es für die Repertoirebildung im 19. Jahrhundert gelten mochte, ist für die Barockoper nicht (oder nicht mehr) anzuwenden“, resümiert Mathias Spohr.

Erörtert wurden von den Tagungsteilnehmern noch einmal die Entwicklungslinien der verschiedenen Gattungen – „L’opéra français est né sur un incroyable paradoxe“, ruft Jean-François Lattarico in Erinnerung und Stephanie Schroeder die vielen Hinweise darauf, dass und in wie hohem Maß der Tanz integraler Bestandteil des Musiktheaterbetriebs war. Neben erfolgreichen Verfechtern der „Barockmusik“ wie Christophe Rousset oder William Christie kommt auch der in größerer Bandbreite tätige Regisseur Robert Carsen zu Wort. Das gehört zu den Vorzügen dieses Sammelbandes.

Der Preis solcher Anschaulichkeit ist eine gewisse Inhomogenität. Überhaupt hätte das Projekt, um für ein größeres Publikum (und nicht nur die „üblichen Verdächtigen“) noch attraktiver zu werden, eines weiteren, über die gründliche Redaktion hinausgehenden Arbeitsgangs bedurft – der Zusammenfassung und Pointierung des polyphonen Gewebes von Beiträgen der Wissenschaftler und aktiv engagierter Künstler. Womöglich auch der Anstrengung, das Besondere zum Allgemeinen noch einmal in Beziehung zu setzen. Denn was der Siegeszug der vormozartschen Opern für das Repertoire der großen Opern des 19. Jahrhunderts, das Musiktheater der Moderne und das Feld der Uraufführungen bedeutet – auch an Verdrängungswettbewerb – bedürfte durchaus der Problematisierung. Auch auf den steinigen Feldern und in den weichen Betten des Musiktheaters ist des einen Glück manch anderer Unglück.

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