Hans Joachim Wagner: Begegnungen: Alfred Schnittke und Robert Schumann, Köln 1999 (Verlag Christoph Dohr), 144 Seiten, 36 Mark
Texte über Musik, insbesondere Programmheftbeiträge oder Werkbeschreibungen, bedürfen schließlich der Musik selber: Das nachvollziehende Hören ist notwendige Ergänzung des Geschriebenen, macht es erst plausibel. Ein Autor für Konzerteinführungstexte konzipiert seine Texte dementsprechend vor dem Hintergrund, dass der Leser die besprochenen Werke nachhören kann. Die Texte des Buches von Hans-Joachim Wagner über Alfred Schnittke und Robert Schumann stammen zum größten Teil aus dem situativen Kontext von Konzerteinführungen, und um es gleich zu sagen: Ihre Veröffentlichung als Buch post festum hat sich gelohnt.
Für die Konzertsaison 1993/94 lud Franz-Xaver Ohnesorg, der kreative und umtriebige Intendant der Kölner Philharmonie, Gidon Kremer ein, eine spezielle sechsteilige Kammermusikreihe zu gestalten mit Werken von Alfred Schnittke und Robert Schumann im Zentrum. Die Reihe stellte mit 16 Werken von Alfred Schnittke eine repräsentative Werkschau des grossen russischen Komponisten dar und enthielt unter anderem die Streichquartette, das Klavierquintett, das Streichtrio, das Concerto grosso Nr. 1 und den Monolog für Viola und Streichorchester.
Bemerkenswert ist, wie Wagner den vorgeschriebenen Rahmen von Konzerteinführungen nutzt, um ästhetische Grundkategorien des schnittke-schen Komponierens darzustellen und dazu auch noch Verbindungen zum Werk von Robert Schumann aufzuzeigen. Seine Vorgehensweise ist dabei so einfach wie zwingend: Er wählt Oberthemen wie „Zitate und Collage“, „Tradition und Traditionsüberwindung“ oder „Sprachcharakter und Poetisierung“ und untersucht diese dann konkret an den zu hörenden Kammermusikwerken. Illustriert wird die Untersuchung durch zahlreiche Notenbeispiele und Fotos. So erhält der damalige Konzertbesucher und der heutige Leser des Buches zum einen substanzielle und flüssig geschriebene Werkeinführungen zu einem Grossteil der schnittkeschen und schumannschen Kammermusik, zum anderen in der Summe eine kleine Werkmonografie zu Schnittke mit vielen wertvollen biografischen, politischen, kompositionstechnischen und ästhetischen Informationen. Abgerundet wird die Monografie mit dem Abdruck einer Vorlesung Wagners.