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Thomas Strobel: Otto Brückwald: Ein vergessener Künstler und Architekt, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2017, 384 S., € 49,80, Abb. ISBN 978-3-95755-031-6
Thomas Strobel: Otto Brückwald: Ein vergessener Künstler und Architekt, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2017, 384 S., € 49,80, Abb. ISBN 978-3-95755-031-6
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Stilbildend bis in unsere Zeit

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Eine Hommage an Otto Brückwald, den Architekten des Wagner-Theaters Bayreuth
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Ungeahnt wie der Blitz aus heiterem Himmel zuweilen niederfährt, so habe er, schreibt der 31-jährige Architekt Paul Otto Brückwald, am 24. April 1872 die Anfrage erhalten, ob er Zeit und Lust habe, das Wagner-Theater in Bayreuth zu bauen. Und kurz darauf trifft vom Meister selbst eine Depesche ein, in der um „gefällige Benachrichtigung“ gebeten wird, „ob Sie unseren Wunsch erfüllen wollen und schnellstmöglichst hierfür eintreten können“. Brückwald glaubte zunächst zu träumen, aber dazu blieb nicht viel Zeit. Einen Monat später wurde der Vertrag unterschrieben; vier Jahre später wurde das Festspielhaus mit der „Götterdämmerung“ eröffnet.

Der Architekt Paul Otto Brückwald, 1841 in Leipzig geboren und dort 1917 gestorben, ist heute vergessen. Zu seiner Zeit aber war er einer der angesehensten Architekten in Deutschland. Bayreuth war sein Meisterstück, aber daneben baute er Theater in Leipzig und Altenburg, zahlreiche Schlösser und Herrenhäuser im östlichen Deutschland, prächtige Wohn- und Geschäftshäuser in seiner Heimatstadt Leipzig und hier auch zahlreiche Schulen, die wegen des rasanten Bevölkerungsanstiegs nötig wurden. Der Reinhold Verlag hat jetzt diesem vielseitigen Architekten eine große Studie, reich bebildert und ungemein materialreich zu vielen seiner Bauten, gewidmet, wahrlich eine kulturelle Großtat.

Waren Oper und Theater im 18. Jahrhundert noch eine Sache von Königen und Fürsten, so war es im 19. Jahrhundert ein zunehmend selbstbewusster werdendes Bürgertum, das sich in der Kunst seiner kulturellen Bedeutung vergewisserte. Es war ein Glücksfall, dass mit Schinkel, Stüler, Carl Friedrich Langhans, Leo von Klenze und vor allem mit Gottfried Semper große Architekten bereitstanden und für die unterschiedlichsten Vorstellungen die angemessene Form fanden. In dieses Milieu wuchs Brückwald hinein. Nach einer Ausbildung an der Dresdner Bauakademie arbeitet er in Leipzig, wo er beim Bau des Theaters bald den alten Langhans ablöst. Von 1869 bis 1871 entwirft er für Altenburg ein Hoftheater – das noch heute steht. Dem Musikverlag C.F. Peters baut er ein prächtiges Verlagshaus, einer Bank den nicht minder eindrucksvollen „Plauener­ Hof“.

Die Theaterarchitektur des 19. Jahrhunderts zeigt ein Stilgemisch vom Klassizismus über die Semper’sche Adaption der italienischen Renaissance bis zum Historismus. Wagner wollte etwas ganz Neues. Seine Idee von Festspielen für das ganze Volk, natürlich mit seiner Musik, hatte einen urdemokratischen Ansatz. Sein Festspielhaus war nicht mehr das geläufige Rangtheater, sondern ein Haus mit einem nach griechischem Vorbild amphitheatralisch angelegten Zuschauerraum, der alle gleich machte. Brückwald hat Wagners Ideen kongenial verwirklicht, das Bayreuther Festspielhaus wurde stilbildend bis in unsere Zeit.

Strobels Buch ermöglicht eine wahre Entdeckungsreise. Abgesehen davon, dass sich der Autor einmal geradezu obsessiv beim Schlossbau im märkischen Liebenberg in die Skandalgeschichte um den Fürsten Eulenburg verliert, bringt er eine Fülle von Informationen zu Kultur- und Bürgerbauten, zu ästhetischen Positionen, zeigt, wie pünktlich auch große Theater fertig wurden, dass aber der veranschlagte Etat auch damals schon fast nirgends eingehalten werden konnte.

  • Thomas Strobel: Otto Brückwald: Ein vergessener Künstler und Architekt, E. Reinhold Verlag, Altenburg 2017, 384 S., € 49,80, Abb. ISBN 978-3-95755-031-6

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