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Unerfüllte Träume von der „neuen Volksoper“

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Ein glasklarer Sammelband gibt Einblicke in die Kulturpolitik der Nationalsozialisten
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Während Museen und Kunstsammlungen inzwischen ihre „braune Vergangenheit“ unter dem Druck der Provenienzforschung langsam erhellen, haben zu viele Theater ihre Spielplan- und Personalpolitik vor und nach, speziell aber in jenen fatalen zwölf Jahren noch nicht historisch und kunstpolitisch kritisch aufgearbeitet. Ein bestechend konzipierter und dann auch sprachlich beeindruckend klar formulierter Sammelband des Instituts für His­torische Musikwissenschaft der Universität Hamburg stellt nun anhand der Bühnenwerke von Rudolf Wagner-Régeny, Norbert Schulze, Mark Lothar und Paul Graener Erfolge und Misserfolge vor – und analysiert historisch sowie soziologisch differenziert Hintergründe, Strategien und Folgewirkungen.

Parallel zur sogenannten„inneren Emigration“ etlicher Literaten reklamierten die Komponisten speziell nach 1945 die „verdeckte Schreibweise“ für sich – und diese versuchte Beschönigung der belegbaren Anpassung an die NS-Musikpolitik wird mit 53 exemplarischen Notenbeispielen und vielen Libretto-Zitaten quer durch viele Bühnenwerke der genannten Komponisten widerlegt. Eindrucksvoll entlarvt wird auch die jeweilige Streichung und Umformulierung von nicht-NS-konformen Textstellen samt der damit einhergehenden musikdramatischen Abmilderung und auch Banalisierung herausfordernder Grenzsituationen etwa von Büchner-Texten in Wagner-Régenys „Günstling“, von Kleists Jamben-Sprache in Graeners „Prinz von Homburg“, aber auch in Norbert Schultzes vermeintlich unpolitischen Märchen­opern wie „Schwarzer Peter“ und „Das kalte Herz“.

Eindeutig erkennbar wird, dass die von Goebbels 1936 monierte „Dürre“ im Bereich der Oper nicht behoben wurde – sein schließlich ausgesprochenes Bekenntnis zu den „deutschen Meistern als den Wegweisern auch für unsere Zukunft“ ist auch das Eingeständnis eines Scheiterns. Während sich die NS-Künstler Thorak, Breker oder Troost in heroischer Gigantomanie austobten, gelang den Komponisten eben genau vergleichbare Heroik nicht: so wirken etwa Wagner-Regenys „Bürger von Calais“ zwergenhaft vor der Expression von Rodins Plastik und der sprachlichen Wucht von Georg Kaisers Drama; seine „Johanna Balk“ darf nicht mit Judith, Leonore oder anderen heroischen Frauen in einem Atemzug genannt werden.

So bleibt als Fazit: Graeners 1938 geforderte Ausstellung „Der entartete Hörer“ zielte absurd ins Leere, denn die vier nach 1933 geförderten und im Buch als Beispiele ausgewählten Komponisten, aber auch ein Georg Volkmann oder Julius Weismann konnten den von den NS-Musikideologen durchgesetzten „Wegfall zahlreicher jüdischer und fremdländischer oder sonstwie unerwünschter Werke“ nicht ausgleichen. Die NS-Forderung nach der neuen „Volksoper“ wurde nicht erfüllt.

Nicht nur im Bereich der Operette, sondern generell ist ein Zug zur „De(s)–intellektualisierung“ festzustellen. Der von Richard Freymann 1942 konstatierte „Eclipse of German Music Hegemony“ war Realität in den zumeist unterkomplexen Werken. All das belegt der Sammelband unideologisch glasklar.

  • Claudia Maurer Zenck (Hrsg.): Neue Opern im „Dritten Reich“. Erfolge und Misserfolge, Waxmann, Münster 2016,  292  S., € 34,90, ISBN 978-3-8309-3335-9

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