Er fühlt sich als Österreicher jüdisch-ungarischer Abstammung. Äußere und innere Heimat liegen nicht immer eng beieinander, doch bei ihm irgendwie schon. Hans Landesmann – ein Name, der zum Synonym wurde für erfolgreiche, leidenschaftliche Arbeit hinter den Kulissen. Denn Landesmann ist weder Pianist noch Dirigent noch Sänger, kein Rampenmann also. Im nächsten Jahr feiert er seinen 80. Geburtstag, 1977 wurde er Generalsekretär des Wiener Konzerthauses, bevor er Ende der 80er-Jahre ins Direktorium der Salzburger Festspiele wechselte und schließlich 2009 als Gründer und Leiter die erste Salzburg Biennale erlebte.
Nun hat er seine Erinnerungen vorgelegt, mit sprachlichem Feinschliff versehen durch den Journalisten Karl Harb. Landesmann beginnt mit den frühen Jahren in Wien und Budapest, den bitteren Erfahrungen durch die Verfolgung seiner jüdischen Familie und der kurzzeitigen Internierung als zwölfjähriger Bub. Er studierte Klavier und in den Nachkriegsjahren an der Sorbonne sowie in New York Chemie. Weil das Geld für mehr nicht reichte, ging er ins Kino statt ins Konzert. 1957 kam er zurück nach Europa und fand in Wien eine Situation der ungleichen Gewichte vor: hier das Hofopernorchester, die Philharmoniker mit ihrem Großen Musikvereinssaal, dort die Wiener Symphoniker als kleiner Bruder mit dem auf der Kippe stehenden Konzerthaus. Lenny Bernstein und sein New Yorker Orchester gaben zwei Konzerte, um die immer desolatere finanzielle Lage zu entschärfen.
Landesmann erzählt lauter Geschichten von hinter-dem-Vorhang, erhellt dem Leser das Geflecht der kulturpolitisch Verantwortlichen. Die Jugendarbeit war ihm stets wichtig, er organisierte Konzerte, war im Hintergrund federführend bei der Gründung des Gustav-Mahler-Jugendorchesters. Abbado hatte er bereits kennengelernt, als dieser noch nahezu ein Nobody war; und als Landesmann 1977 Generalsekretär beim Konzerthaus geworden war, schrieb er als Erstes drei Briefe an Künstler, mit denen er eine regelmäßige Zusammenarbeit wünschte: Boulez, Pollini, Abbado. Diese drei Namen sind gleichzeitig ein heimliches Programm für Landesmanns musikalische Philosophie, denn neben der Tradition suchte er immer auch das Neue, Neugierde-Weckende – und dazu zählt eben die zeitgenössische Musik.
Alles Verkrustete, Eingefahrene war ihm stets ein Gräuel. 1988 wurde er beauftragt, eine Analyse über den Status quo der Salzburger Festspiele zu erstellen. Das wiederum war dem damaligen Großmogul des Festivals, Herbert von Karajan, zwar nicht geheuer, doch nahm er den „Neuling“ Landesmann nicht ganz ernst. Als dann die schonungslose Bilanz auf dem Tisch lag, konterte der Altmeister giftig: „Seifenblasen eines Dilettanten“. Doch die Ära Karajan neigte sich ihrem Ende. Als sie dann vorüber war, wirkte Landesmann bei der Suche nach einem Nachfolger mit. Der hieß Gérard Mortier – auch er ein Kandidat, der Altes schätzt und Neues wagt.
Dieses Buch steckt voller wohlwollender Rückblicke und wunderbarer kleiner Episoden. So hatte Landesmann die Einbürgerung von András Schiff eingefädelt; während der Überreichung der Urkunde im Wiener Rathaus war der Musikmanager mit von der Partie, doch als er nach der Zeremonie zu seinem Auto kam, war es abgeschleppt. Halteverbotsregeln und der Einsatz für große Künstler sind selbst in Wien zwei Paar Schuhe. Oder Martha Argerich. Landesmann hatte sie verpflichtet trotz des erhöhten Risikos einer Absage. Er baute daher rechtzeitig vor, rief ihre Mutter an, damit diese ihre Tochter überrede, die Reise nach Wien überhaupt anzutreten. La Martha kam denn auch, doch unmittelbar vor ihrem Auftritt überfiel sie wieder einmal Panik. Unter all seinen Überredungskünsten drängte Landesmann sie in Richtung Bühnenausgang und sprach ihr gut zu – als das Publikum sie dann schemenhaft erkannte und der Applaus aufbrandete, konnte sie nicht mehr zurück.
Diese Erinnerungen sind ein hübsches Lesebuch, unterhaltsam und erhellend, nie belehrend, nie abrechnend, gleichwohl kritisch.