Seit den 50er-Jahren hat Albert Mangelsdorff stil- und genreübergreifend Anerkennung gefunden. Er war beteiligt an Projekten zwischen Tradition und Avantgarde. Dass die überragende Gestalt des deutschen Jazz im Mittelpunkt einer Tagung stand – 2009 beim alle zwei Jahre stattfindenden Jazzforum des Darmstädter Jazzinstituts – war naheliegend. Jetzt sind die einzelnen Referate des Forums in einem Sammelband erschienen.
Es drehte sich jedoch nicht alles um diese Integrationsfigur des deutschen und europäischen Jazz. „Mangelsdorff war für uns“, so Wolfram Knauer, Herausgeber und Chef des veranstaltenden Jazzinstituts, im Vorwort, „Ideengeber für eine Veranstaltung, in der es um die Geschichte des Jazz in Deutschland genauso gehen sollte wie um Instrumentaltechnik, um Free Jazz, um die Frankfurter Szene, um die Auseinandersetzung des Jazz mit Rock-Elementen, um ein wachsendes Selbstbewusstsein europäischer Jazzmusiker, um musikalische Kommunikation, um ästhetische Probleme und Chancen des Jazz heute“. Der Blick in die Welt des Jazz gerät dabei sehr vielfältig. Roter Faden ist letztlich die musikalische Offenheit, die der Posaunist vorgelebt hat. Dessen Schaffen wird in allen Facetten beleuchtet.
Für Wolfgang Sandner war Mangelsdorff „ein Prototyp und Sonderfall“. Als „bodenständiger Künstler konnte er so zu internationalen Größe finden“. Er nahm, wie Rüdiger Ritter ausführt, in der Jazz-Szene seines Landes ebenso eine Schlüsselstellung ein wie Krzysztof Komeda in Polen. Vergleichende Seitenblicke stellen Mangelsdorffs Schaffen heraus. Als einer der Ersten hat sich der Frankfurter auch der deutschen Musiktradition angenommen. Freilich verweist der Beitrag Knauers auch auf andere Musiker, die sich der deutschen musikalischen Vergangenheit als Inspiration angenommen haben. Das 1958 gegründete hr-Jazzensemble war für Mangelsdorff, wie Jürgen Schwab ausführt, ein „Ruhepunkt, aus dem heraus man vieles starten konnte“. Schwab sichtete die in einem halben Jahrhundert entstandenen Aufnahmen, die beispielhaft Zeugnis ablegen von der stilistischen Entwicklung des deutschen Jazz.
Herausragend der Aufsatz von Kai Stefan Lothwesen, der die „Diversität des europäischen Jazz“ herausstellt. Vielfach stellt sich die Frage nach charakteristischen Merkmalen und Möglichkeiten einer freien Spielweise des Jazz in Europa. Neben Melodien und Rhythmen ist individuelle Klanggestaltung des jeweiligen Musikers wichtig, wie Martin Pfleiderer schreibt. Der Autor hebt entschieden auf expressiven Sound ab. Ohnehin haben viele Musiker des Young German Jazz, wie William Bares etwas polemisch feststellt, „keine Lust mehr darauf, sich den über lange Jahre entwickelten afro-amerikanischen Qualitätsidealen im Jazz zu unterwerfen“. Womit wieder auf Albert Mangelsdorff, die Lichtgestalt des glänzend dokumentierten Forums, verwiesen wäre.