Jörg Jewanski/Natalia Sidler (Hg.): Farbe – Licht – Musik. Synästhesie und Farblichtmusik (Züricher Musikstudien. Forschung und Entwicklung an der HMT Zürich, Band 5), Peter Lang Verlag, Berlin und andere 2006, 528 S., € 76,60, ISBN 3-03910-636-8
Musik hören und fiktive Farben dazu sehen, Zahlen lesen und nicht existente Musik dazu hören – dieses Phänomen heißt Synästhesie und ist tatsächlich weitaus vielschichtiger. Derzeit ein aktuelles Thema auch bei Esoterik-Freunden, kann sich der interessierte Leser aus einer Flut von Veröffentlichungen zur Synästhesie nun eine neue, wirklich gelungene heraussuchen: ein dickes Buch, randvoll mit Essays, Literaturhinweisen und Abbildungen.
Das Herausgebergespann hat die Synästhesie von der Antike bis zur Gegenwart berücksichtigt. Der Terminus Synästhesie wird diskutiert, definiert und von unwissenschaftlicher Patina gereinigt, der Esoterik steht dieses Buch jedoch fern. Auch die Farblichtmusik mit Schwerpunkt auf den Arbeiten Alexander Lászlós ist hier umfangreich vertreten. Die eigenen Beiträge des Herausgebers Jörg Jewanski – wissenschaftlich profund und sprachlich gelungen – sind als Einstieg für Neulinge in beide Themen hervorragend geeignet, versorgen den Fachmann mit Fakten und machen einfach Spaß beim Lesen.
Die Mischung macht’s: Musiker, Komponisten, Musikwissenschaftler, Bildende Künstler, Lichtdesigner, Kunsthistoriker und Akustiker äußern sich, deshalb werden viele Aspekte des die Disziplinen sprengenden Themas angerissen, durchleuchtet und diskutiert. Selbstverständlich kommen auch Synästhetiker zu Wort und beschreiben ihre Form(en) der Synästhesie. Derer gibt es viele, denn theoretisch ist die Kombination jedes Sinnes mit jedem Sinne möglich.
Eine Menge Abbildungen synästhetischer Farbenspiele, Strukturen et cetera (nicht als autonome Kunstwerke, lediglich als Versuche zu verstehen, das Unsichtbare sichtbar zu machen) ermöglichen es den Nicht-Synästhetikern, sehr direkte und authentische Einblicke in diese Prozesse zu erhalten.
Weitere Abbildungen illustrieren einige apokryphe Instrumente der Pioniere auf dem Felde der Kombination von Musik und Farbe beziehungsweise Licht und verhindern dadurch ebenfalls eine allzu textlastige Trockenheit. Das Buch ufert trotz des ehrgeizigen Ansatzes und des großen Umfanges nicht aus, ist klar strukturiert und gestattet dem Leser, innerhalb der Kapitel und Essays zu springen.
Ein sehr interessanter, leider nicht ganz preiswerter Band, der das Zeug hat, zum Standardwerk all derer zu werden, die sich gern wissenschaftlich fundiert und umfassend, aber trotzdem unterhaltsam mit ungewöhnlichen Randgebieten beschäftigen.