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Von der Veränderung des Hörens

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Eine Publikation zum Thema 200 Jahre Frankfurter Museums-Gesellschaft
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Musik – Bürger – Stadt. Konzertleben und musikalisches Hören im historischen Wandel. 200 Jahre Frankfurter Museums-Gesellschaft, hrsg. von Chris- tian Thorau/Andreas Odenkirchen/Peter Ackermann, ConBrio Verlagsgesellschaft, Regensburg 2011, 337 S., Abb., € 19,00, ISBN 978-3-940768-07-0

Das Frankfurter Opernhaus- und Museumsorchester hadert immer wieder mal mit seinem Namen: Museum, das klingt so museal. Dabei gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts in fast jeder nennenswerten Stadt im Lande einen Verein, der das Museum im Titel führte – Museum, das war damals keine rückwärts blickende Sammlung von Artefakten, sondern eine Versammlung der Musen zu einem Reigen der Künste und der Bildung, und die ehrwürdige Frankfurter Museumsgesellschaft – Namensgeber des Orchesters und ältester Konzertveranstalter der Stadt – war vor allem eine als Verein – also nach bürgerlichen Vorstellungen von Gesellschaftlichkeit – organisierte Versammlung einflussreicher Persönlichkeiten zum Zwecke der Beförderung der Künste. Als vor vier Jahren die Museumsgesellschaft, zuweilen auch einfach „Museum“ genannt, ihren 200. Geburtstag feierte, wurde im Rahmen eines anspruchsvollen, originell komponierten historischen Symposiums viel mehr geklärt als nur die Bedeutungsgeschichte ihres Namens. 

Wie die aus dem Symposium entstandene Buchpublikation zeigt, hat sich die thematische Strategie nicht auf den Typus des historischen Textes beschränkt, sondern beispielsweise auch einer Inszenierung Raum gegeben, die „eine Sitzung des Museums um 1830“ mit ihren musikalischen, literarischen und diskursiven Anteilen nachbildete. Der Projektbericht dazu ist ein erhellendes Beispiel für den auf Partizipation und Ganzheitlichkeit im (natürlich) Goetheschen Sinne abzielenden bürgerlichen Bildungs-Gedanken.

Das „Museum“ selbst ist Gegenstand mehrerer exemplarischer Reflexionen. Ralf Roth etwa untersucht zwei frühe bürgerliche Assoziationen in Frankfurt und arbeitet ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus. Da ist einmal das sogenannte „Casino“ – auch so ein Wort, das gerade in den letzten Jahren eine nicht unbeträchtliche Bedeutungsverschiebung erlitten hat –, ein Verein der wirtschaftlichen Oberschicht der Stadt, und eben das „Museum“, eine Organisation derer, die wir heute „Bildungsbürger“ nennen. Ralf-Olivier Schwarz macht auf die Einbindung der Entstehungsphase der Museumsgesellschaft in die kurze Ära des Großherzogtums Frankfurt und seines aufklärerisch gesinnten und denkenden Landesherrn Karl-Theodor von Dalberg aufmerksam – eine merkwürdig in Vergessenheit geratene Phase in der Geschichte der Bürgerstadt am Main. 

Die Professionalisierung des Musikbetriebs und die Zurückdrängung der Liebhaber – im 19. Jahrhundert nannte man sie noch Dilettanten und meinte das nicht abfällig –, die Herausbildung eines Kanons und die damit verbundene Marginalisierung der zeitgenössischen Musik im biedermeierlichen Konzertbetrieb, die historischen Veränderungen des Hörens, die zunehmende Ritualisierung des Konzertlebens sind weitere Themen, die den Horizont weiten und das Gegenwärtige als Momentaufnahme in einem dynamischen sozialen Prozess erscheinen lassen. Die Institutionengeschichte des Frankfurter Museums kann auch von etlichen ruhmreichen Phasen und Höhepunkten berichten – Goethes Einfluss, Richard Strauss’ Dirigate, Hindemiths Rolle –, spart aber auch Tiefpunkte nicht aus wie, die wahrlich nicht ruhmreiche Phase des Museums im Nationalsozialismus. Die Rekonstruktion eines bürgerlichen Kulturbewusstseins und -betriebes nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt mit dem Resonanzboden der diskursiven Umgebung eine sozialphilosophische Dignität.

Insgesamt zeigt die Textsammlung ein anregendes Gleichgewicht zwischen narrativen und systematischen Texten und einen behutsam-intelligenten Reformgeist. Einige der systematischen Schwächen des heutigen Konzertbetriebes – seine enge Bindung an, ja, museale Rituale und Codes des Hörens und Sich-Kleidens, seine Kanon-Abhängigkeit  – werden wie nebenbei mit der Perspektive möglicherweise bevorstehender Veränderungen auf ihre historische Bedingtheit hin reflektiert. Einem geläufigen Kulturpessimismus mit dem zentralen Topos, dass alles immer schlechter werde, wie er unter gegenwärtigen Konzertgängern durchaus nicht unüblich ist, wird hier eine reflektierte Nachzeichnung von oft notwendigen und sinnvollen und manchmal eben auch schrecklichen Veränderungsprozessen entgegengesetzt, die immer Ergebnisse historischer Bedingungen und menschlicher Handlungen sind. 

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