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Wie ein Lebensgefühl Alltag wird

Untertitel
Zwei Insider erzählen die Geschichte der Popmusik
Publikationsdatum
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„Wem gehört die Popgeschichte?“ – eine Frage als Buchtitel, die sich (eigentlich) gar nicht stellt. Wem gehört Geschichte generell? Wem gehört Kultur? Wollen die beiden Autoren Assoziationen wecken – etwa zu Titeln wie „Wem gehört die Republik? Die Konzerne und ihre Verflechtungen in der globalisierten Wirtschaft – Namen, Zahlen, Fakten“ … Offensichtlich nicht, denn Hintergründe oder Insiderwissen geben die „zwei Kenner der internationalen Musikszene“ leider nicht preis. In ihrem Buch geht es viel mehr um das Lebensgefühl einer ganzen Generation und die damit verbundenen Folgen für Gesellschaft und Kultur. Leider nicht besprochen beziehungsweise beleuchtet wird die weltweite Vermarktung dieses Lebensgefühls durch die Industrie – allen voran die Musik- und Tonträgerindustrie. Dabei könnte gerade ein so hochkarätiger Musikmanager wie Gerd Gebhardt, der seit 1983 unter anderem bei WEA Music/Warner Music Germany führende Positionen bekleidete, ein Lied davon singen, wie geschickt von der Branche Hits platziert, Trends lanciert und der Publikumsgeschmack manipuliert wurden und noch immer werden – trotz aller Flops und schrecklichster Peinlichkeiten.

Gebhardt und Stark fangen bei Wolfgang Amadeus Mozart, dem ihrer Ansicht nach ersten internationalen Popstar der Musik, an und erzählen ebenso unterhaltsam wie kurzweilig von vergangenen Jahrzehnten „erlebter Popkultur“, von lustigen Zeiten, tollen Tagen und wilden Nächten, von der eigenen „musikalischen Sozialisation“ in der Rock’n’Roll- und der darauf folgenden Hippie-Ära ...

Doch bei allem Schwadronieren über Erlebnisse und Begegnungen mit Künstlern, Bands und ihrer Musik, schwelgen sie nicht nur in zum Teil sehr persönlichen „privat-popgeschichtlichen“ Erinnerungen, sondern – quasi als Nebenprodukt – zeichnen sich beinahe im Hintergrund ihrer Darstellungen viele Kleinigkeiten ab, die auf den ersten Blick mitunter belanglos erscheinen, rückblickend jedoch strukturelle Zusammenhänge ergeben.

Bei alledem haben die Autoren auch Begleitschwingungen im Blick – vom gesellschaftlichen Stellenwert sinnvoller Musikerziehung bis hin zum Wandel des Musikmarkts mit seinen Folgen für eine Popkultur. Man denke nur an die unaufhaltsame Digitalisierung der Medien, den zunehmenden Trend, Musik aus dem Internet „downzuloaden“ und wie schwer sich die Musikindustrie mit der veränderten Situation tat und noch immer tut …

Unvergessen in diesem Zusammenhang die arrogant-hilflose Aussage eines der Chefs der Major Companies angesichts einbrechender Umsatzzahlen: „Der Konsument hat versagt.“ Gert Gebhard wird sich an diesen Satz seines Kollegen vor versammelter Mannschaft beim Phono-Verband bestimmt noch mit einem Kopfschütteln und Schmunzeln erinnern. Doch wie immer in der Geschichte liefern die Bruchstellen die interessantesten Aspekte für die Zukunft. Und unterm Stich dürfte einem nach der Lektüre des Buches klar werden, wie ein Lebensgefühl, das nicht zuletzt über die Pop- und Rockmusik transportiert wurde und in der damaligen Zeit revolutionär war, heute zum Großteil (kultur-)politisch und gesellschaftlich Fuß gefasst hat und alltäglich geworden ist – allerdings mit einer großen Einschränkung: Die damit einhergehenden Ideale sind bis heute nicht wirklich real.

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