Obwohl inzwischen bekannt sein dürfte, dass das Komponieren von Musik für Kino und TV, zumindest hierzulande, kein allzu lukratives, dafür aber hart umkämpftes Business ist, werden junge Musiker aller Sparten zunehmend von der Filmwelt angezogen. Wahrscheinlich, weil man es als Komponist anderswo noch schwerer hat. Der Filmkomponist Philipp Kümpel hat nun ein Praxishandbuch vorgelegt, das dem angehenden Medienkomponisten ein Leitfaden sein soll, auf dem langen Weg zur Namensnennung im Filmabspann.
Der Zusatz „Alles was Filmkomponisten wissen müssen“ ist für ein Buch, das ein Standardwerk sein will, sicherlich ambitioniert, legt die Messlatte aber ein wenig zu hoch. Allein das Kapitel über den Einsatz der Instrumente im Orchester öffnet eine Tür, die in anspruchsvolle und extrem weit verzweigte Regionen führt. Die Tiefe des Themas lässt hier nur einen kurzen Blick auf die Anforderungen professioneller Orchestration und Instrumentierung zu. Doch auch wenn Kümpel den musiktheoretischen Aspekten nicht genug Raum geben kann, die thematische Breite seines Buches ist erstaunlich. Der Bogen reicht von der Ausstattung eines professionellen Filmmusik-Studios, über die Vorstellung der Arbeitssituation im Filmmusikbereich bis zum Einblick in das Tagesgeschäft abseits kreativer Arbeit mit Themen wie Ausbildung, Akquise oder allgemeine Rechtsfragen (z.B. GEMA, GVL, KSK).
Der Blick des Autors ist immer auf die spezielle Arbeitssituation des Filmkomponisten mit seiner totalen Abhängigkeit von leistungsstarken Rechnern gerichtet. Die Produktion von Filmmusik verläuft in der Regel computergestützt, was ein fundiertes Wissen über die verfügbare Technik voraussetzt und ganz eigene Problematiken hervorbringt. Wenn eine Orchesterproduktion angestrebt wird, erstellt der Komponist vorab eine vollständige Simulation der späteren Orchesteraufnahme. Ein Komponist, der mit leistungsfähigen Samples arbeitet, vergisst mitunter, dass ein lebender Holzbläser atmen muss oder der Tonumfang eines echten Instrumentes bei der Programmierung seines virtuellen Pendants überschritten werden kann. Übermächtige Posaunen können am PC durch einfaches Drehen am Regler gezähmt werden, ohne dass dabei die Partitur verändert wird. Durchaus reale Szenarien, die bei der Übertragung virtuell produzierter Musik auf die Anforderungen eines Orchesters beachtet sein wollen und mitunter zu peinlichen Situationen im Aufnahmestudio führen können.
Kümpel konzentriert sich auf Standardsituationen der filmmusikalischen Praxis, was in Anbetracht der aktuellen Situation in der Filmmusik legitim ist, wo ungewöhnliche Lösungen vom Kunden oft nicht gefragt sind und bewährte Konzepte den überwältigenden Teil des Branchengeschehens ausmachen. Nur konsequent ist es daher, dass der Autor mit Hans Zimmer den wohl erfolgreichsten Filmkomponisten unserer Zeit für ein Interview herangezogen hat, auch wenn dieser in Fachkreisen nicht unbedingt für sein musikalisches Können gerühmt wird. Der Komponist beantwortet vor allem Fragen zu seinem Studio-Setup und der Entstehung der berühmten Orchesterlibrary, die seit 15 Jahren Zimmers Sound-Basis bildet.
Auch wenn für professionelles Arbeiten weiterführende Literatur oder eine entsprechende Ausbildung unerlässlich sein dürfte, gibt Kümpels Praxisbuch einen fundierten Überblick über die Gegebenheiten im Alltag eines (europäischen) Filmkomponisten. Dabei macht der Autor dem Leser keine Illusionen über die schwierigen Verhältnisse, denen der Komponist als letztes Glied einer langen Produktionskette beim Film unterworfen ist.