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Jan Kopp: Das hörbare Hören. Fünf Begehungen des komponierten Spielfeldes (Caprices 16), Wolke Verlag, Hofheim am Taunus 2022, 78 S., € 9,50, ISBN 978-3-95593-316-6

Jan Kopp: Das hörbare Hören. Fünf Begehungen des komponierten Spielfeldes (Caprices 16), Wolke Verlag, Hofheim am Taunus 2022, 78 S., € 9,50, ISBN 978-3-95593-316-6

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Zugänge zu neuer Musik

Untertitel
„Begehungen“ des kompositorischen Spielfeldes von Jan Kopp
Vorspann / Teaser

Jan Kopp: Das hörbare Hören. Fünf Begehungen des komponierten Spielfeldes (Caprices 16), Wolke Verlag, Hofheim am Taunus 2022, 78 S., € 9,50, ISBN 978-3-95593-316-6

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Aus der Vielzahl an Publikationen, die sich mit Zugängen zu neuer Musik befassen, sticht diese kleine Schrift, deren Umfang gerade einmal 69 Seiten (ohne Literaturverzeichnis) umfasst, deutlich hervor.

Das liegt zunächst einmal daran, dass sie sich keinem Genre zuordnen lässt: Obgleich ihr Autor Komponist ist, geht es in ihr weder um sein kompositorisches Oeuvre oder um die mehr oder minder programmatische Darlegung seiner „ästhetischen Position“, ja nicht einmal um Werke oder Komponist:innen, die ihm besonders nahe stehen. Ebenso wenig lassen sich seine Überlegungen aber auch unter die Rubrik „Wissenschaft“ subsummieren, denn dazu sind sie einerseits zu fragmentarisch, wie sie andererseits nicht davor zurückschrecken, sich den ganz großen Themen – dem Verstehen neuer Musik, ihrem Verhältnis zur Sprache, dem Verhältnis von Hörenden und Spielenden sowie der Frage nach ihrer Partizipationsfähigkeit – direkt und unverblümt zu nähern. Helmut Lachenmann sprach einmal von der „Höhle des Löwen“, in die sich Komponist:innen begeben, wenn sie sich den großen Formen und Genres der westlichen Kunstmusik anzunähern versuchen. In eine ebensolche Höhle begibt sich auch Jan Kopp, wenn er auf kleinstem Raum seine ebenso differenziert wie anschaulich vorgetragenen Gedankengänge entfaltet. Ohne davor zurückzuschrecken, dass alle Themen, um die er kreist, mittlerweile von Musikwissenschaft, Musikpädagogik und philosophischer Musikästhetik eingehend bearbeitet worden sind, riskiert er es, sich ihnen direkt und unter weitgehendem Verzicht auf die – mitunter bequemen – Netze gängiger Wissenschaftsdiskurse anzunähern.

Dass ihm das auf überzeugende Weise gelingt, hängt damit zusammen, dass er in den „Fünf Begehungen des kompositorischen Spielfeldes“ (so der Untertitel seiner Essaysammlung) eben doch durchgängig, wenngleich auch nur auf den zweiten Blick bemerkbar, als Komponist spricht. Obwohl sein eigenes künstlerisches Schaffen an keiner Stelle thematisiert wird und auch jegliche individuellen Erfahrungen mit Aufführungen und Werkkommentaren, mit Musiker:innen und Hörer:innen seiner Musik strikt vermieden werden, hätten seine Überlegungen wohl nicht geschrieben werden können, wenn sie nicht einer höchst ernsthaften und auch kompromisslosen künstlerischen Praxis entspringen würden. Jan Kopp lässt seine Leser:innen an seiner Nachdenklichkeit und seinen Fragen teilhaben – an Fragen, die ohne Zweifel auch seine kompositorische Arbeit begleiten und diese erst ermöglichen.

Ein Grundgedanke, der alle Essays durchzieht – und der auch in der Metapher des „Spielfelds“ angelegt ist – besteht dabei in der Überzeugung, dass die Tätigkeiten des Komponierens, Spielens und Hörens Neuer Musik keine unterschiedlichen und strikt voneinander getrennten Handlungsformen darstellen, sondern als Teile eines Ganzen (des Spielfeldes eben) verstanden werden müssen, zu dem sie lediglich unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Indem Jan Kopp sich auf diese unterschiedlichen Perspektiven einlässt, ermöglicht er es seinen Leser:innen, die Topografie des Spielfeldes besser zu erfassen. Seine Erkundungszüge gleichen – um noch einmal eine Vokabel Helmut Lachenmanns aufzugreifen – einem behutsamen „Abtas­ten“ des Geländes: Wenn er etwa in einem Gedankenspiel der Frage nachsinnt, wie unterschiedlich die Wahrnehmung eines Werkes wohl sein mag, wenn der dazugehörige Einführungstext vor, während oder nach der Aufführung gelesen wird oder wenn er sich darüber wundert, dass die Neue Musik nach 1945, die – zumindest in Deutschland – ohne den Vermittlungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu denken ist, heute zunehmend „mit der Forderung konfrontiert wird, größere Anstrengungen im Bereich der Vermittlung zu unternehmen“ (S. 46), dann gewinnt er auch scheinbar vertrauten Fragestellungen und Zugangsweisen neue und ungewohnte Perspektiven ab, die zu einem kritischen Weiterdenken geradezu einladen.

Nach der Lektüre dieses Büchleins begreift man vielleicht auch, dass es Jan Kopp nicht zufällig auch in den Bereich der Kompositionspädagogik verschlagen hat. Seine Überlegungen und Gedankenexperimente sind nicht nur klar und auch für den Laien unmittelbar verständlich und nachvollziehbar formuliert, sondern lassen ein echtes Anliegen erkennen, das darin besteht, Menschen an den faszinierenden ästhetischen Irritationen teilhaben zu lassen, die die Neue Musik seit Anbeginn begleitet haben. Dieses Anliegen in großer Einfachheit und Schnörkellosigkeit zu Papier gebracht zu haben, kann als Ausdruck einer zutiefst pädagogischen Grundhaltung begriffen werden, die Vermittlung betreibt, ohne dabei auch nur ansatzweise simplifizierend zu sein. Jan Kopp bei seinem Weg in die Höhle des Löwen zu begleiten, ist ein lohnendes Unterfangen.

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