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Alte Haudegen, kein Wiesenhit, eine Kanzlerin

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Neue Popplatten im Herbst des Wechsels
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Der Oktober öffnet sich: Element of Crime sind zurück, Franz Ferdinand müssen sich beweisen, die Beta Band gibt alles vom Besten oder der deutsche Sinatra Tom Gäbel, der sich selbst vorstellt. Alle Genres sind vertreten, niemand wird verschont. Vorher noch der aktuelle Klatsch der Popwelt: Alben werden künftig am Freitag veröffentlicht und nicht mehr am Montag. Dafür lässt sich Gerd Gebhard feiern. Dann sorgt der russische MP3-Anbieter www.allofmp3.com mit Durchschnittspreisen von 1,50 US-Dollar pro Album für Murren in der internationalen Phonoindustrie. Und dass die Popkomm stattfand, sollte man als Randnotiz ebenso festhalten wie die Tatsache, dass das Oktoberfest ohne Wiesenhit auskommen muss.

Danken wir zunächst der Band Element of Crime mit ihrem Vorsänger Sven Regener (Buchautor des Klassikers „Herr Lehmann“). „Mittelpunkt der Welt“ nennt sich das neue Album unbescheiden, ist es wohl aber. Höchste Melancholie, zelebrierte Beiläufigkeit und eine finale Leichtigkeit, die jeden Song zu einem Herzflimmern macht. Schön, unbestechlich und voller Geschichten, die uns betroffen machen und lachen lassen. Famous. Die Feuilleton-Rocker Franz Ferdinand haben mit dem zweiten Album „You could have it so much better“ das Problem, nicht den Fans gefallen zu dürfen, sondern den Kritikern der New York Times, der SZ oder der London Times. Die werden über das Wohl der Band entscheiden, wobei die Vorlage keine überraschende scheint. Man blieb sich treu, eiert ein wenig auf den Meriten des ersten Albums herum und vergisst sich ein wenig in Rockschönklang oder konstruierter Retrokunst. Durchaus gefällig, nie pomadig aber ein wenig stillstehend insgesamt doch. Ray Charles wäre am 23. September 75 Jahre geworden. Als erinnernde Hommage wurde „Genius & Friends“ veröffentlicht, eine Platte, die sich mit den wichtigsten Duetts seiner Laufbahn beschäftigt, darunter neu aufgenommene, bisher ungehörte Kompositionen. Mitsingend unter anderem: Alicia Keys, George Michael, Diana Ross, Gladys Knight oder Willie Nelson. Ehrlich und zeitlos.

Sänger Tom Gäbel stellt sich als alter Hase vor, obwohl „Introducing: Myself“ sein Debutalbum ist. Assistiert von einer kompletten Big Band, dazu die große Streicherbesetzung, führt er uns einmal durch Neuauflagen weltbekannter Jazzklassiker und zum anderen durch gefühlvolle und selbstbewusste Eigenkompositionen. Besinnliche und sensible Minuten sind diesem unaufdringlichen Album gewiss. Derzeit kommt es oft unüberlegt in Mode, Bands nach gelungenen Alben das Karriere-Ende nahe zu legen, weil es besser wohl nicht mehr ginge. So gilt es wohl auch bei Arab Strap einzustimmen. „The Last Romance“ trifft den Kern der Aussage sensationell. Rockromantik zwischen Betongitarren, zitierten Texten, Gedichten ähnlich, Botschaften gleich und Visionen vermittelnd. Gefolgt von Windmühlen artigen Beats, dazu leise Gitarren und zarte Elektronik; Arab Strap sind Meister des zeitgemäßen Rock. Wer sich für Snow Patrol erwärmen kann, dem werden die Pioniere dieser alternativen Rockkunst erst recht zur Nase stehen.

The Beta Band und ihr „The Best of the Beta Band“-Doppelalbum rührt zu Tränen. Einmal weil es die offizielle Gewissheit ist, dass es diese Band nie mehr geben wird, und zum anderen weil die CD erbarmungslos vor Augen führt, was man an dieser Band aus Edinburg verloren hat. Zu hören ist auf der ersten CD das Beste ihrer vier Studioalben, auf der zweiten ein Livemitschnitt der Abschiedstour 2004. Beide CDs sind Emotionshaufen und Gefühlshöllen. So wie The Beta Band, deren Musik Stars wie Oasis oder Radiohead bis heute inspiriert, mit ihren Höhen und Tiefen seit dem Debutalbum 1997 eben war. Unberechenbar emotional.

PJDS nennt sich ausgeschrieben Pieter-Jan de Smet. Zusammen mit Kollege Geoffrey Burton erfreut der Belgier seit Jahren mit unerschrockenen Veröffentlichungen zwischen Rockkompositionen und Songwriterbandsongs. „Suits you“ gerät dieses Mal etwas futuristischer als sonst, PJDS neigt sich ein wenig der avantgardistischen Front zu, vergisst aber über diese kurzen Momente nie, der Rockmusik weiter zu frönen. Rockmusik, die anders klingt, nach Pieter-Jan de Smet und seiner Vision von Gitarrenmusik. Mit sämtlichem Getöse zum Deutschpop oder Frolleinrock hatte muff potter nie zu tun. Ihre fünfte Platte „Von Wegen“ stellt die Band im Jahr 2005 vor. Unkonventionell, weit weg von Marketing-Strategien und in puncto Text nicht allzu überbewertend. Eine Mischung aus altem Kettcar-Rock, vereinzelten NDW-Ausleihen und einer markigen muff-potter-Punkportion verhilft ihr zu einem Alleinstellungsmerkmal in der Unmenge an Deutschtext-Veröffentlichungen. Prima. Aus dem Nest Stillwater in Oklahoma (USA) machen sich The All-American Rejects und die Platte „Move Along“ über den großen Teich auf, Europa zu beeindrucken. Gelingt mit beherzten Songs, ironisch-romantischen Kompositionen und der über der Band schwebenden Aussage „Musik mitunter als Spaß zu sehen“. Emo-Punk, also gemäßigter Alternativpunk mit hymnischen Refrains und in den Strophen breiten Gitarren bilden das Grundgerüst der Band, ein paar elektronische Schmankerl und Streicher-Alarm versüßen den Emo-Kuchen erheblich. Eine junge Band, der man einiges zutrauen sollte.

Diskographie

Element of Crime: Mittelpunkt Der Welt (Universal, 4.10.2005)
Franz Ferdinand: You could have it so much better (Domino, 30.9.2005)
Ray Charles: Genius & Friends (WSM, 23.9.2005)
Tom Gäbel: Introducing: Myself (Edel Records, 14.10.2005)
Arab Strap: The Last Romance (Chemikal Underground Records, 28.10.2005)
The Beta Band: The Best of The Beta Band (Labels, 4.10.2005)
PJDS: Suits You (Beuzak Records, 21.10.2005)
muff potter: Von Wegen (Huck’s Plattenkiste, 4.10.2005)
The All-American Rejects: Move Along (Interscope, 10.10.2005)

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