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Amerikaner im Europa der späten 1950er Jahre

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Jazzneuheiten, vorgestellt von Marcus A. Woelfle
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Oscar Pettiford hatte, wie zuvor bereits Jimmy Blanton in den 40er-Jahren bei Duke Ellington eine Schlüsselstellung für die Emanzipation des Basses als Soloinstrument. In seinen Händen wurde auch das zuvor kaum verwendete Cello zu einem flüssigen Jazzinstrument, dessen bedeutendster Vertreter der 50er-Jahre er war. Obgleich der neben Ray Brown größte Bassist jener Zeit in seiner Heimat sehr gefragt war, zog der Wegbereiter des Bebopbasses 1958 nach Europa, wo er wegen seines frühen Todes im Jahr 1960 nur kurz aber sehr einflussreich auf die europäische Szene wirkte, empfand er es doch als seine Aufgabe als Amerikaner in Europa, die „message“ an die europäischen Musiker weiterzugeben. Sein Wirken in seiner Wahlheimat dokumentiert „Oscar Pettiford & Jan Johansson featuring Stan Getz In Denmark 1959–1960“ in überwiegend bislang unbekannten Aufnahmen und seltenen Fotos.

Es ist eine echte Entdeckung, obwohl es nicht an Aufnahmen, meist posthumen Zusammenstellungen aus dieser kurzen, fruchtbaren Periode mangelt, auch gerade die Aufnahmen mit Getz bekannt sind – nicht nur wegen des großen früh verstorbenen Johansson, der hier solo mit schwedischen Volksliedern zu hören ist, einige Jahre bevor er gerade mit solchem Repertoire auf sich aufmerksam machte. Die fünf Aufnahmen im Trio/Quartett mit dem Pianisten Ben Axen, die Pettiford mit geschmeidigen, schlüssigen, eleganten und innigen Improvisationen, mehr als üblich solistisch in den Vordergrund rücken, sind herausragend. Die Aufnahmen mit dem Vibraphonisten Louis Hjulmand wirken wie eine skandinavische Antwort auf das MJQ. (Stunt)

Nur kurze Zeit wirkte Eddie Sauter als Nachfolgeder Kurt Edelhagen als Leiter des SWF-Tanzorchesters in Baden-Baden. „Eddie Sauter’s Music Time“ vereint Rundfunkarchiv-Aufnahmen von 1957/58, in denen der amerikanische Spitzenarrangeur mit der differenzierten, reichen Klangpalette für Solisten wie Hans Koller, Albert Mangelsdorff und Attila Zoller schrieb beziehungsweise schreiben ließ. Hörenswert! (Jazzhaus)

Endlich liegt auch das bislang unveröffentlichte Konzert, dass die Armstrong All Stars – Trummy Young (tb, voc), Peanuts Hucko (cl), Billy Kyle (p), Mort Herbert (b), Danny Barcelona (dr) – am 15. Februar 1959 in der Stuttgarter Liederhalle gaben, vor: Ein Doppelsilberling vereint es auf CD und (in einer gekürzten Fassung) Video. Wer seinen Satchmo kennt, kann es schon beim ersten Hören mitsingen, denn der Mann, der mehr als jeder andere gezeigt hatte, was Improvisation in der Musik vermag, hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, Mitschnitte seiner Konzerte zu hören, um bei nächster Gelegenheit mustergültig Improvisiertes zu wiederholen. Wer weiß, wie er den „Tiger Rag“ eine Woche zuvor in Amsterdam oder drei Wochen zuvor in Kopenhagen gespielt hat weiß: die Zitate „Ridi Baiazzo“,  „I’m Confessin‘“ und „Dixie“ kommen so sicher wie in der Kirche, noch dazu an der gleichen Stelle, von den identischen Bühnenwitzen ganz zu schweigen. Vermutlich wäre der Stress der Tourneen (die kurz darauf in Italien zu einem gesundheitlichen Zusammenbruch führte) für ihn ohne eine starke Kontinuität nicht auszuhalten gewesen – und dem Großteil des Publikums dürfte ohnehin Vieles an der perfekt einstudierten Show spontan erschienen sein. Wer das Rad erfand, hat die Welt schon so unendlich bereichert, dass mehr und anderes zu erwarten unverschämt wäre. Und sind die Gefühlsintensität, der unfehlbare Swing, die instrumentale Meis­terschaft nicht genug, einem Satchmo bewegt und dankbar zuzuhören? (Jazzhaus) 

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