John Cage: Thirty Pieces for String Quartett. Jakob Ullmann: komposition für streichquartett 2. Arditti Quartet. hr-musik, hrmn 036-07
Von Gegensätzen, aber auch von Anregungen ist die Rede im Gespräch des Produzenten dieser CD, Bernd Leukert, mit dem Komponisten Jakob Ullmann, das auch im Booklet wiedergegeben wird. Ullmann lebte bis 1990 in der DDR. Sein Leben war geprägt durch das System, in das er sich nicht einfügen wollte, und so ist auch sein Komponieren untrennbar mit seiner Vergangenheit verbunden. Seine Musik soll so beschaffen sein, dass sie nicht ideologisch missbraucht werden kann.
Schon 1978 hatte er in der Bibliothek in Dresden die Gelegenheit, sich mit den Noten von John Cages Werken zu beschäftigen. Aber wie diese Partituren relativ frei von Vorschriften für die Ausführenden klingen sollen, erschloss sich ihm erst gänzlich, als er zuerst mit dem Geiger und Komponisten Nicolaus Richter de Vroe und ab 1990 mit Cage persönlich arbeiten konnte.
Auch die Thirty Pieces von Cage haben einige ungewöhnliche Anweisungen, die zu einem einmaligen Ergebnis führen, und das ist hier im eigentlichen Sinn des Wortes „einmalig“ gemeint. Die Ausführenden spielen 30 aneinander gereihte Stücke innerhalb einer vorher festgelegten Gesamtdauer (Vorgabe des Komponisten sind circa 30 Minuten). Aber jeder spielt für sich, keine gemeinsamen Proben, kein Aufeinanderhören während der gleichzeitigen Aufführung, auch die Sitzordnung kann diese Unabhängigkeit ausdrücken. So entsteht bei jeder Aufführung ein neues Stück, denn das Aufeinandertreffen der einzelnen Töne ist nicht beabsichtigt. Was beim Hörer ankommt, klingt zufällig zur gleichen Zeit.
Ullmanns Quartett bietet das gegenteilige Hörerlebnis. Er hat alles genau festgelegt, er schreibt die Ausführung jedes einzelnen Tones genau vor. Und das Stück ist extrem leise, am Rande des Hörbaren. Seine Musik ist ohne Expressivität, ein Merkmal, das Ullmann einsetzt, um den ideologischen Missbrauch zu verhindern. Eine weitere Grenzerfahrung in Ullmanns Komponieren findet sich im Umgang mit dem Klang. Er versucht eine engere Verbindung zwischen Ton und Geräusch herzustellen, als sie zwischen Ton und Ton besteht, wie er im Gespräch mit Bernd Leukert darlegt. Um einen solchen Klang hervorzubringen, müssen sich die Instrumentalisten neue Streichtechniken erarbeiten. Das Arditti Quartet bringt als eines der renommiertesten Streichquartette im Bereich der Neuen Musik die besten Vorraussetzungen mit. Wie gewöhnlich suchen sie bei den Probenarbeiten den engen Kontakt mit dem Komponisten, um dessen Werk seinen Vorstellungen gemäß umsetzen zu können. Auch diese CD ist das hörbare Ergebnis einer gelungenen Zusammenarbeit.