Es gibt sie immer noch, die Perlen aus den Rundfunkarchiven, die überraschte Sammlerherzen höher schlagen lassen.
„Early Discoveries“, der den Gebrüdern Mangelsdorff gewidmete Doppelsilberling aus der Serie „Jazz Heroes“ mit Funden aus dem Fundus des SWR dokumentiert sechs Konzerte beziehunsgweise Studioaufnahmesitzungen Albert Mangelsdorffs aus den Jahren 1953 bis 1963; an drei der Sessions wirkte sein Bruder, der heute noch aktive Emil Mangelsdorff mit, der herausragende Deutsche Altist seiner Generation. Albert Mangelsdorff war nicht nur der wegweisendste europäische Jazzer seit Django Reinhardt, er war einer der bedeutendsten Posaunisten seit dem Fall von Jericho. Sein Nachruf basiert heute fast nur noch auf dem Spätwerk, indem er mit seinem mehrstimmigen Posaunenspiel die Rolle seines Instruments im Jazz umschrieb.
Doch schon lange zuvor, 1964, galt er John Lewis als „wichtigster Erneuerer des Posaunenspiels.“ Wie diese Aufnahmen zeigen, improvisierten nur wenige auf der Posaune so schlüssig und ideenreich wie der junge Mangelsdorff. Wer weiß, wie selten Deutschlands führende Jazzmusiker in der späten Adenauer-Ära, als sentimentale Schlager und volkstümliche Musik Trumpf waren, auf Platten kompromisslos jazzen konnten, wird nicht erstaunt sein, dass nicht nur einige Kompositionen und Besetzungen nur auf dieser Doppel-CD zu finden sind. Zu verdanken ist dies der Weitsicht des deutschen Jazzpapstes Joachim-Ernst Berendt, der alle Aufnahmen für den SWF produzierte. Herzstück ist ein die erste CD füllendes Tuttlinger Benefizkonzert zu Gunsten der Hinterlassenen Oscar Pettifords des sonst bislang auf keiner Platte dokumentierten Albert Mangelsdorff Quintetts des Jahres 1961 mit Günter Kronberg (as), Bent Jædig (ts), Peter Trunk (b) und Hartwig Bartz (dr). (Die Titelangabe ist beim als „Hershey Bar“ bezeichneten Stück falsch).
Das Joki Freund Sextett mit dem 1957 noch ganz am Beginn seiner Laufbahn stehenden und als Cool-Baritonist nicht wiederzuerkennenden Heinz Sauer kannte man noch nicht. „I Can’t Get Started“ ist ein Beispiel für das vielgerühmte, doch nur selten aufgenommene Duo des Posaunisten mit Attila Zoller. Größen wie Rolf Kühn, Hans Koller und Horst Jankowski sind in zwei verschiedenen Ausgaben der German All Stars zu hören. Bekanntes bieten die Aufnahmen in der ungewöhnlichen Besetzung mit Joe Zawinul sowie den West Coast-Saxern Bud Shank & Bob Cooper, auf denen Mangelsdorff sogar cooler klingt als deren heimische Posaunengefährten Rosolino oder Bernhart. So etwas wie den deutschen Jazz gebe es nicht, hat Albert Mangelsdorff öfters betont. Doch „Early Discoveries“ führt vor, wie mitreißend und in Ansätzen eigenständig der deutsche Jazz schon in der Cool- und Bop-Ära klang, wenn er auf Höchstniveau von jenen gespielt wurde, die nicht wie Abziehbilder ihrer amerikanischen Vorbilder klangen. (Jazzhaus)
Kaum überraschend, doch hörenswert sind drei Alben aus der Reihe „The Cologne Broadcasts“ des WDR. Duke Ellingtons Konzert „Live At The Opernhaus, Cologne 1969“ kannte man bis auf zwei Stücke aus dem West Wind-Album „April in Paris“. Ella Fitzgeralds „Live in Cologne 1974“ mit Tommy Flanagan, Keter Betts, Bobby Durham und (auch im Duo!) Joe Pass ist eine willkommene Ergänzung zum zwei Monate später in gleicher Besetzung entstandenen „Ella in London“ und zu „Montreux Festival 1975“, überschneidet sich aber wenig im Repertoire mit den beiden ebenso ausgelassen swingenden Pablo-Klassikern und präsentiert in zwei Stücken zusätzlich ihre alten JATP-Gefährten Eddie „Lockjaw“ Davis und Roy Eldridge.
Eine echte Trouvaille ist Art Blakeys „Live in Moers 1976“ – ja, auf dem der Avantgarde geweihten Festival, wo er freilich kein Jota von seiner längt klassischen Hardbop-Auffassung abwich und doch zu Recht frenetisch gefeiert wurde. Interessant ist, dass die Hälfte des Repertoires aus mit Verve gebotenen Walter Davis-Stücken besteht, die zum Teil von Davis und Blakey offiziell erst später eingespielt wurden. Die Besetzung der Jazz Messengers fluktuierte damals sehr; von der Besetzung mit Bill Hardman (tp), David Schnitter (ts), Mickey Tucker (p) und Chris Amberger (b) ist es daher das einzige Album! (Jazzline)