Musik mit und von René Wohlhauser, Christina Meißner, Ramón Lazkano, Hans Zender sowie amerikanische Chormusik
Ikonen der amerikanischen Chormusik des 20. Jahrhunderts, teils weltlich, teils geistlich, mit und ohne Ins-trumentalbegleitung, hat das SWR Vokalensemble Stuttgart unter Marcus Creed herausgebracht: „Four Motets“ von Aaron Copland, die halb alttestamentarische, halb weltliche „Missa Brevis“ des späten Bernstein, das mystische Chortableau „The Rothko Chapel“ von Feldman, das ätherische Sopran-Alt-Quintett „Five“ von Cage. Dazwischen die an die mittelalterliche Organumtechnik angelehnte Komposition „Proverb“ (Text: Ludwig Wittgenstein) von Steve Reich, und als Abschluss ein düs-terer Männerchor mit Pauken von Samuel Barber über einen Gefallenen im spanischen Bürgerkrieg. Eine erlesene Werkauswahl in einer konkurrenzlosen Interpretation. (hänssler Classic CD 93.306)
Und gleich nochmals das SWR Vokalensemble: Zusammen mit dem von der Schließung bedrohten SWR Sinfonieorchester ist es unter der Leitung von Emilio Pomàrico an der Aufnahme der neun „Logos-Fragmente“ von Hans Zender beteiligt. Die fünf Viertelstunden dauernde Gesamtaufnahme gibt den Blick frei auf eine bedeutende Werkgruppe aus dem neueren Schaffen Zenders. Die kanonischen, apokryphen und talmudischen Texte aus der frühen nachchristlichen Zeit bilden das geistige Fundament für eine souverän konstruierte und zugleich ausdrucksstarke Musik. Die sensible Sprachbehandlung sorgt für rhetorische Präg-nanz, während die mikrotonale Harmonik mit ihren reinen Intervallen eine wunderbar klare Atmosphäre erzeugt. (Wergo 6765-2)
Zum Stück „Laugarren Bakarrizketa“ von Ramón Lazkano heißt es im Booklet: „… hori interpreteak bere musika-tresna entzuten duenean sortuko da eta oinarrian ondoko ideia dago.“ Keine Panik, wir befinden uns noch in Europa, im Baskenland, und der Satz will uns sagen, dass das Werk als Monolog des Pianisten vor dem schweigsamen Instrument konzipiert ist. Die meisten Komponisten auf der Klavier-CD „Bakarrizketak“ des in Freiburg lebenden Alfonso Gómez stammen aus dem Baskenland: die hierzulande praktisch unbekannten Félix Ibarrondo und Guillermo Lauzurika sowie Luis de Pablo und Sofía Martínez; letztere ist mit einem narrativen Stück für Klavier und Elektronik mit Stimmen vertreten. Ein sensualistischer Tonfall durchzieht die Stücke, sie sind angesiedelt zwischen raunender Sanftheit, scharf gezeichneten Figurationen und leuchtender Klangentfaltung. Eine Produktion der rührigen baskischen Vereinigung „Espacio Sinkro“. (Sinkro Records 006)
Die Cellistin Christina Meißner, Mitbegründerin der Klangwerkstatt Weimar, legt eine Solo-CD mit Werken aus dem ausgehenden 20. Jahrhundert vor. Sie schlägt einen Bogen von Bernd Alois Zimmermanns „Vier kurzen Studien“ und Isang Yuns „Glissées“, beide von 1970, über Sciarrino, Klaus Huber und Adriana Hölszky bis zu den „Two Poems to Polly für sprechende Cellistin“ von Peter Eötvös und zu „touch … windows“, neun funkelnden Mikroorganismen des Hamburgers René Mense. Eine gut durchdachte und farbige Auswahl. Der stilistischen Vielfalt begegnet die technisch versierte Interpretin mit der Überlegenheit einer Musikpersönlichkeit, die die Partituren nicht als avantgardistische Spezialfälle herunterbuchstabiert, sondern mit Leben erfüllt. (querstand VKJK 1415)
Die sieben kammermusikalischen Werke, die René Wohlhauser mit dem Ensemble Polysono, dem er selbst als Interpret angehört, aufgenommen hat, haben eine entfernte Ähnlichkeit mit der amerikanischen Hard-Edge-Malerei. Hervorstechendes Merkmal sind scharf konturierte, kontrastreiche Texturen, die sich hart aneinander reiben und einen ausgeprägt gestischen Charakter besitzen. Der Instrumentalklang wird gleichsam nackt exponiert, Trennschärfe ist oberstes Gebot. In der vom Klavier begleiteten Lautkomposition „Li-Gue-Tin“ sind auch die Vokalstimmen quasi-instrumental geführt. Der objekthafte Charakter der Musik wird durch die sehr direkte Mikrofonierung optimal unterstützt. (Neos 11309)