Jennifer Rostock – Mit Haut und Haar +++ The Steepwater Band – Clava +++ Helgi Jonsson – Big Spring +++ Admiral Black – Phantasmagoric +++ Karmakanic – In a perfect world +++ Wynton Marsalis & Eric Clapton – Play the Blues
Die Berliner Band Jennifer Rostock absolvierte in den letzten vier Jahren ein erstaunliches Pensum. Für die Öffentlichkeitsarbeit war man sich für nichts zu schade. Auftritte bei TV Total, MTV Home oder beim Promi-Dinner. Sogar für das Goethe-Institut spielten Jennifer Rostock in Brasilien. Vorläufiger Höhepunkt: das dritte Album „Mit Haut und Haar“. Wie bei jedem JR-Album gilt: Man muss das nicht lieben, was einem da als aufgekratzter, energetischer Elektro- und Gitarrenpoppunkrock um die Ohren fliegt. Allerdings darf man JR weiter ein Profil mit Raubeinigkeit attestieren. Dass ihre benutzten, etwas aufgesetzten und inflationär eingesetzten Synthie-Spielereien gar nicht mehr „state of the art“ sind, scheint ihnen egal zu sein. Eine Band mit Haltung. Danach haben wir doch stets geschrien. Hörhinweis: Der Horizont, Fuchsteufelswild.
Mit dem Unwort „Retro-Rock“ versehen wurde das fünfte Studioalbum von The Steepwater Band namens „Clava“. Dabei trifft nichts anderes zu. Ausufernde, genialistische Gitarrenriffs. Gesänge, die sich im Hall doppeln, spiegeln, überschlagen und dennoch nach Badezimmer klingen. Heroische Breaks, bluesige Soli und eine lange nicht mehr gehörte Verrücktheit. Experten sprechen dann von trunkenen, ekstatischen oder psychedelischen Momenten. Ein saucooles Rockalbum zwischen 1970, Blues und Riffs. Hörhinweis: alles.
Der isländische Singer und Songwriter Helgi Jonsson stellt mit „Big Spring“ ein weiteres Album vor. Na klar, Helgi Jonsson ist talentiert. Das musste er mit „Big Spring“ nicht beweisen. Beweisen hätte er können, dass der Isländer an sich nicht ständig rumjammert und sich vor Trauer in die Geysire stürzen möchte. Genau diese begrenzte, von Helgi Jonsson in seinen Songs erfasste Melancholie, wirkt auf dem neuen Album stets überambitioniert, vielleicht sogar gekünstelt. Da hilft selbst das Duett mit der dänischen Sängerin Tina Dico wenig. Ausnahmen siehe Hörhinweis: Badwater.
Mit Admiral Black wird es rotzig. Prinzipiell versteckt sich hinter dem Admiral der Humanzi-Sänger Shaun Mulrooney aus Dublin. Aber in Berlin lebend. Und macht hier solo rum. „Phantasmagoric“, sein Selbstwerk, erweist sich als einfühlsames (!), aber wüstes Abenteuer zwischen Punk, Funk, erzkonservativem Songwriting und schmutziger Krautrockgitarrenarbeit, die angemufft aus der Garage dröhnt. Sein Gesang kann dabei schöne Melodien nachzeichnen, im Einzelfall aber als vorwurfsvolle Hetztirade ankommen. Ein Künstleralbum, wenn man so will. Aber eines, das man versteht. Hörhinweis: Got love if you want it, Closure.
Bei der schwedischen Progrock-Band Karmakanic kann man das Ganze schnell abhandeln. Ihr neues Album „In a perfect world“ braucht sich hinter Genregrößen wie Dream Theater oder Fates Warning nicht verstecken. Für Insider haben Karmakanic ja längst mit jenen gleichgezogen. „In a perfect world“ ist ein Paradebeispiel für ein gelungenes Progrock-Album. Deshalb muss man nicht lamentieren und nörgeln. Die Jungs beherrschen ihr Fach, nichts anderes wollten sie veröffentlichen. Deshalb fünf Sterne. Wenn es die hier gäbe. Hörhinweis: alles.
Wynton Marsalis & Eric Clapton „Play the Blues“. Was bitte könnte hier falsch laufen? Vom 7. bis 9. April spielten die beiden, flankiert von kaum schlechteren Musikern, drei Konzerte, in deren Verlauf sie Klassiker wie Louis Armstrongs „Ice Cream“ oder Claptons „Layla“ neu arrangierten und interpretierten. Im Vordergrund der Songs stand eine vordergründig krude Mischung aus New Orleans Jazz und Claptons früher Blues-Attitüde. Dazwischen entstand Platz für eine großartige Band, die Clapton und Marsalis vorsichtig auf den Leib rückte. Aber das Handwerk der Distanz verstand. Großes Kino. Hörhinweis: alles.
Diskographie
- Jennifer Rostock – Mit Haut und Haar (Warner, 29.07.2011)
- The Steepwater Band – Clava (Diamond Day Records, 16.08.2011)
- Helgi Jonsson – Big Spring (Big Spring, 16.09.2011)
- Admiral Black – Phantasmagoric (Warner, 19.08.2011)
- Karmakanic – In a perfect world (Inside Out, 22.07.2011)
- Wynton Marsalis & Eric Clapton – Play the Blues (Warner, 13.09.2011)