Ein Blick auf aktuelle BigBand-Produktionen: Tobias Becker Bigband, Christian Klinkenberg Orchestra, Monika Roscher Bigband, Jazz Bigband Graz und das Subway Jazz Orchestra.
Ohnehin ist Existenzsicherung durch Jazz schwierig. Umso bemerkenswerter ist deshalb das Wagnis einiger Repräsentanten der jungen Generation, sich mit Bigbands zu behaupten. Wobei Besetzungsgrößen nicht unbedingt festgelegt und prägnante stilistische Eigenprofile zu beobachten sind. Im Sound und bei der instrumentalen Konfiguration der Tradition am engsten verbunden ist die Tobias Becker Bigband, nämlich eingedenk Count Basie, dem „Atomic B“ (Neuklang) veritabel in ebenso kompakter wie moderner Swingmontur und mit geschickten, moderat gestalteten Übergängen zur Gegenwart gewidmet ist.
Solche „True Stories“ (Natango Music) erzählt auch die Jazz Bigband Graz, für die Multiinstrumentalist und Vokalist Horst-Michael Schaffer mit Referenzen zu Poemen unter anderem von Shakespeare swingende Tableaus komponierte. Allerdings oft wie symphonische Klangkostüme gefügt, werden statisch-idyllische Akkordgewebe von Ostinato-Rockgrooves in Bewegung gebracht oder schöne Musicalmelodien solistisch-expressiv aufgebrochen. In entwickelndem Stil sprießen aus motivischen Keimen sukzessive ganze Bouquets, so dass jede Geschichte eigenes Kolorit hat.
Die strukturierende und zugleich variable Konstante mit wechselnden Tempi und Intensitäten beim „State Of Mind“ (Unit), einer klassischen Formen entlehnten Suite von Tobias Wember für das Subway Jazz Orchestra, ist ein im tiefen Register wirkender Groove, der von eleganten Melodiebögen dekoriert wird. Minimales Pattern-Material polymerisiert, wird zwischendurch abgedämpft, und so entsteht Freiraum für wuchtige Fanfaren und filigrane Solopassagen.
Genres der Jetztzeit kombiniert die Monika Roscher Bigband mit skurrilen Commedia dell’arte-Arrangements. Im Zentrum ihrer Szenen „Of Monsters And Birds“ (Enja) kennzeichnet Gesang plus Gitarre gewisse Popqualitäten, wozu das Ensemble Klangschirme mit vehement treibender Riffbegleitung öffnet. Theater-Rezitative sind eingebettet in polyphone Sequenzen, die von manchmal unregelmäßigen Pulsschlägen bewegt werden. Kein Kabinett zum Fürchten, sondern ein aufregendes Konzept, das aktuelle Trends integriert.
Denen entzieht sich das Christian Klinkenberg Orchestra, eigentlich als Tentett ein Midi-Format, weil es mit spatialen Timbres, etwa Parallelen von zwei gleichen Instrumenten in verschiedenen Registern, eins stimmführend, das zweite improvisierend, Sphären der Kontemplation auf „GEO2“ erkundet. Fragmentierte Rhythmen zwischen Latin- und Rock-Pigmenten bilden Misterioso-Momente oder machen dabei markante Schwenks, und das ganze Arrangement kann sich für partielle Kollektiv-Improvisationen, melodische Exkursionen oder polychrome Elektro-Sounds ändern. Je nach kultureller Umgebung und dem Grad der Verarbeitung historischer Einflüsse haben die jungen Bigbands also individuelle Gangarten und Interessen parat. Diversität ist Trumpf, ohne (allzu sehr) mit kommerziellem Erfolg zu liebäugeln. Deshalb sind die hier vorgestellten Bigbands bei allen Unterschieden der Identität doch dem Jazz als seriöser Musik treu.