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Bohrende Intensität

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Fünf Doppel-CDs von Rostropowitsch bei EMI
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„The Russian Years“, unter diesem Titel hatte EMI vor nun fast zwei Jahren zum 70. Geburtstag des Cellisten Mstislaw Rostropowitsch eine 13 CDs umfassende Edition herausgebracht, die zwei Jahrzehnte durch legendäre klingende Dokumente schildern konnte und die ohnehin schon beinahe unübersehbare Diskographie dieses großen Virtuosen bereicherte. Leicht gekürzt ist jenes Repertoire nunmehr auf fünf Doppel-CDs neu auf dem Markt, vom Label als ,,Kalenderblätter im SIim Pack, das heißt im handlichen Format“ werbewirksam angekündigt. Außer den auch und oft mehrfach in neueren Aufnahmen erhältlichen Paradestücken von Robert Schumann (a-Moll-Konzert), Peter Tschaikowsky (Rokoko-Variationen) und Richard Strauss (Don Quixote) gibt es echte Raritäten zu entdecken wie etwa das Arthur Honegger-Konzert, Respighis Adagio con variazioni und Zeitgenössisches aus der Feder von Komponisten aus allen Winkeln der vormaligen Sowjetunion, das meiste davon für „Slava“ geschrieben (wie auch Benjamin Brittens Suiten und die Cello-Sinfonie von 1964) und hier in Studioaufnahmen oder auch Live-Mitschnitten präsentiert. Die beiden vorliegenden Alben umfassen nun jene Werke, die nicht zuletzt durch den besonderen Einsatz Rostropowitschs heute unverzichtbar zum Repertoire aller großen Cellisten gehören. Das gilt zuvorderst für die Sonate und Konzerte von Schostakowitsch, die Rostropowitsch später für andere Labels und mit anderen Orchestern und Dirigenten (und naturgemäß besserer Aufnahmetechnik) aufgezeichnet hat. Die bohrende Intensität und geradezu kämpferische Attitüde des Musizierens, wie man sie aus den öffentlichen Konzerten in Erinnerung hat, kommt in den russischen Dokumenten in überwältigender Weise zum Ausdruck. Sicher passieren kleinere Mißgeschicke in Sachen Intonation, Bogengeräusche, Zusammenspiel mit den Partnern, klanglicher Balance; die Aura dieser historischen Dokumente kann aber keine der blanken Studioprodukte mit den superben jüngeren Kollegen wie Maisky, Ma, Mork, Helmerson oder Schiff bieten. In den Sonaten erweisen sich die jeweiligen Komponisten als „vollendete“ Pianisten (Originalton Rostropowitsch), wobei das Werk Karen Khatschaturians (eines Neffen des Säbeltanz-Komponisten) in seiner Farbigkeit, die an Filmmusiken erinnert, überrascht. Auch bei Prokofiews Sonate ist die cellistische und pianistische Konkurrenz – angesichts des Dokuments von der Uraufführung 1950 mit dem ebenfalls noch an der Schwelle zur Weltkarriere stehenden Swiatoslaw Richter – allenfalls als Schatten der russischen Vorbilder zu sehen. Die knisternde Spannung ist bei jedem Ton gegenwärtig, die Anwesenheit des Komponisten scheint gar besonders zu beflügeln, wenn die virtuose Attacke gefordert ist. Warum die gleichfalls beeindruckende Interpretation des sinfonischen Konzertes aus zwei Konzerten mit zwei Dirigenten zusammengemischt worden ist, wird auch im sehr persönlich abgefaßten und mit Fotos garnierten Kommentar des Cellisten im Booklet leider nicht angesprochen. Außer in den gleichfalls schon historischen Aufnahmen mit Navarra/Ancerl und Samuel Mayes/Leinsdorf sowie der brandneuen Produktion mit Truls Mork ist die Grandezza und Verve der Tonsprache Prokofiews bisher jedenfalls nicht wieder eingebracht worden. Miaskowskys Konzert, ein Lieblingskind von Rostropowitsch und später für die EMI in London für den westlichen Markt produziert, erfährt ein ebenso leidenschaftliches Plädoyer wie die wirkungsvolle Ballade Glasunows, während die Canzona Tanejews als Arrangement des Originals (für Klarinette) eher ein Unikum darstellt, wenngleich auf dem üblichen Niveau gespielt wird.

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