Frische Brisen aus einst unkommerzialisiertem Bossa Nova wehen in neuen Düften und Aromen.
Bossa Nova Novitäten
Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld
Dieses Erbe ist noch nicht abgegolten, sondern inspiriert wieder eine junge Jazz-Generation. Nämlich die Sängerin Federica Ferrari aus Italien, wenn sie Edu Lobo, dem Pionier der „Música Popular Brasileira“ das Album „Silencio“ widmet. Wobei Ruhe nicht als Stille missverstanden werden sollte, denn mit ihrem international besetzten Sextett dreht sie in portugiesischem Gesang gleich zu rapidem Bebop-Tempo auf. Allein diese Jazz-Reminiszenz wäre schon aufregend, wie überhaupt ihre sehr kreative Einstellung zu den Originalen überzeugt, die sich darüber hinaus durch die prominente Verwendung von Mundharmonika und Vibraphon zeigt: So wirken die komplexen Arrangements in aparter Pikanterie zwar verfremdet, aber sind dennoch angenehm stilgerecht. (ATS-Records)
Ebenfalls ist das Vibraphon bei der „Desvio“ (Umleitung) des Gitarristen Fabio Gouvea präsent, meistens in Kombination mit einem Tenorsax- oder Klarinetten-Part. In Folgen von eng genähten Minimal-Mustern entstehen so kontrastive Klänge aus lyrischen und perkussiven Elementen. Auch kann ein Groove-Riff, vom Bass gehalten, zum Antrieb für Sax- und Perkussion-Improvisationen werden oder ein filigranes Motiv schlängelt sich durch Gitarren-Arpeggien voran. Ein Kaleidoskop raffinierter Rhythmen und Timbres. (Unit)
Aus einem anderen Winkel, genauer: in „Trés Maneiras“ (drei Manieren) betrachtet das deutsche Quartett Hotel Bossa Nova die Szene: „A Procura“ (fürsorglich) auf Vitalität gerichtet ist die erste Ebene, allerdings schon mit Orgel und E-Gitarre modernisiert; erweitert ist dieses elektronische Klangspektrum um Rockkicks und fein gewebte Drummuster oder Bass-Flageoletts bei einigen anderen Titeln. Auf dritter Ebene singt Liza da Costa melancholisch-balladeske Songs, sodass zu Strand- auch urbane Stimmungen im Sinne eines europäischen Lebensgefühls hinzu kommen. (Enja Yellowbird)
Strikter sind die Prinzipien von Steen Rasmussen, Pianist aus Dänemark und seit Jahren mit dem Genre Red Bossa (so auch der Trio-Name) vertraut. Zumindest ist er so glaubwürdig, dass die Star-Sängerin Joyce Moreno aus Brasilien meint, er habe ein tiefes Verständnis dieser Musik. Nun, die Metrik kann durchaus stur sein („Ton To Ton“), doch sie löst sich fragmentarisch zu elastischem Swing auf. Andere Titel kokettieren mit romantischer Harmonik oder gar einem Bossa-Reggae-Mix, der trotzdem tändelnden Groove hat. Steen Rasmussen ist kein Purist und hat keine Furcht vor hybriden Formen. (Stunt)
Dieser Fährte folgt auch die mit dem Neuen Deutschen Jazzpreis ausgezeichnete Band Antigua, deren polyglotte Sängerin Elsa Johanna Mohr (Portugiesisch, Englisch, Deutsch) sich offenbar wie ein „Trovador“ fühlt. Ihre Vokalisen können von Reggae-Rock mit Orgelsounds und Gypsy-Gitarre, im Bossa-Stil von Metallperkussion oder einem 3er-Metrum und Handclapping begleitet sein. Hier werden viele Variablen verwendet, wobei Pop-Melodik manchmal prägend ist. (Lädy Bäm Records) Auf jeden Fall haben alle genannten Bands keine Berührungsängste mit ihnen nahe stehenden verwandten Musikrichtungen, sodass aktuelle Bossa Nova Novitäten die historischen Vorbilder um viele Nuancen arrondierten.
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