Er war der „modernste“ aller europäischen Filmkomponisten der Nachkriegszeit: Ennio Morricone. Er komponierte „Pferde-Opern“ für Sergio Leone genauso wie Wiegenlieder für Dario Argentos Giallos. Dabei bewegte er sich immer zwischen Pop und der Avantgarde. Und schuf dabei ein musikalisches Universum, das auch jenseits der längst vergessenen Filme noch heute fasziniert.
Lange bevor Morricone von Tarantino zum „Kult-Komponisten“ erklärt worden ist, waren es Discjockeys gewesen, die auf ihrer Suche nach Grooves oder Sounds schon immer ein besonderes Ohr für besondere Klänge gehabt und dabei den Meister für sich entdeckt hatten. Als John Zorn Mitte der 80er mit „The Big Gundown“ Morricone neu „orchestrierte“, leistete er Pionierarbeit. Danach begannen die DJs, selbst nach den „verlorenen Schätzen“ zu graben. Dabei waren es weniger die berühmten „Melodien“ des Meisters, die sie magisch anzogen, als vielmehr all die „experimentellen“ Tracks, die sich auf den sauteuren Original-Soundtrack-LPs versteckten. Je tiefer sie gruben, desto mehr verliebten sie sich in das „Material“, das zwischen Bacharachs vertrackter Leichtigkeit und der Experimentierfreude der „Neuen Musik“ hin und herschwebte. Eine ganze Generation lernte so den gewissermaßen „geheimen“ Morricone kennen. All diese Gedanken schwirren durch den Kopf, wenn man den neuen Sampler „Morricone Segreto“ anhört. Die Filme rücken hier bewusst in den Hintergrund. Und so kann man bewusst in den „Sound“ eintauchen: Fuzz-Gitarren wechseln sich ab mit der Sirenenstimme von Edda Dell’Orso oder den I Cantori Moderni di Alessandroni, atonale Streicherklänge überlagern psychedelische Orgeln. Und wie ein Phantom ist einmal „Il Maestro“ höchstpersönlich an der Trompete zu hören. Von der Trompete ist der Musiker Morricone einst selbst gekommen. Er spielt sie hier so ekstatisch wie er seine „Stimmen“ in seinem Soundkosmos inszenierte.
- MORRICONE SEGRETO (Decca)