The Audience – Hearts +++ Soko – I thought I was an Alien +++ East 17 – Dark Light +++ Eva – Sky Wide Open +++ RPWL – Beyond Man and Time
The Audience gönnten sich ein Aufnahme-Päuschen. Recht so. Denn „Hearts“, ihr jetziges Album, ist eine Inspiration. Wer mag da noch schnöde von Musik sprechen? Das Album produzierten sie in einem großen Saal. Grund: Live-Atmo einfangen. Das gelingt. Vollends. The Audience ziehen eine Mauer hoch, deren Fugen einerseits so dicht sind, dass man sich kaum vorstellen kann, einen weiteren Ton durchzulassen, anderseits blasen sie mit ihrem Sound-Staubsauger eine fast unverschämte Freizügigkeit durch die Luft, dass jeder Song, jede Strophe und jeder Refrain ein Knistern aufbaut, das sich nie löst. Dass nebenbei persönliche Dramen oder gescheiterte Lebensentwürfe stattfinden, ist nicht nur konsequent, sondern unausweichlich. Hörhinweis: „Endless Wall“, „Thrill“, „Blinding Beams“.
Nach Lana Del Ray ist die Französin Stéphanie Sokolinski das nächste musikalische „Social Network Produkt“, das seine Songs zunächst der „Gefällt mir“-Gemeinde präsentiert und anschließend recht altmodisch ein Album veröffentlicht. Das nennt sich theatralisch „I thought I was an Alien“. Und die Künstlerin kürzt sich ab: Soko. Der Grundtenor des Albums nennt sich Lo-Fi. Alles wird unterproduziert, fast sparsam mit Notebook und Akustikgitarre zusammengestöpselt. Soko überbordet das mit buhlerischem, dezent erotisiertem Gesang, der bisweilen an der Kante zur Belanglosigkeit oder Unaufgeregtheit schabt. Und siehe da: Es glückt bei vielen Songs des Albums. Weil sie mit ihren Songs entschleunigt, beruhigt und betäubt. Allerdings ist das Gebimmel über die Albumdistanz hinweg etwas schwerfällig zu verdauen. Kurzweil macht den Meister, Überraschung das Genie. Das wären schon die einzigen Hauptberatungspunkte zum Album. Hörhinweis: „How are you“, „For Marlon“, „Don’t you touch me“.
Man höre und staune eigentlich nicht. East 17, die härteste britische Konkurrenz der Ami-Boygroup „New Kids on the Block“, will es noch einmal wissen. Heißt: ein Album namens „Dark Light“ auf den Markt werfen. Das Ende des Dramas ist voranzustellen: Der Comeback-Versuch scheitert. Schon das abgenudelte Plattencover (wer bitte posiert heute noch als Band an eine Mauer gelehnt darauf?) weist den Weg nach unten. Die Songs: Schicksalsschläge. Die wahrscheinlich letzten Reste der unveröffentlichten Chansons der Boygroup-Generation. Natürlich aufgehübscht, ab und an mit einer schrubbenden Gitarre unterlegt (I can’t get you…). Aber alles in allem ein müdes, verzweifeltes und hoffentlich letztes Album. Lasst mal stecken, Jungs. Hörhinweis: schwierig…
Für Eva zitieren wir die Info, um sie besser kennenzulernen, denn es handelt sich um eine „Wahl-Hamburgerin aus New York, die im Friaul“ ihr Album „Sky Wide Open“ wachsen ließ. Und das kann sich hören lassen. Eva rennt keinem Trend hinterher. Die Songs sind innig, schon traditionell im Songwritertum verwurzelt, aber fern ab jeglicher Tragik, die diesem Genre oft anheftet. Aufrichtigkeit mag für Songs heute kein Ritterschlag mehr sein, aber die gesamte Produktion und Instrumentierung ist von dieser Grundmelodie, die beweist, worauf es Eva ankommt. Ein Stück vom Leben präsentieren. Das ist eben mal so oder so. Romantisch oder fröhlich. Bei Eva hat man stets das Gefühl, die eigene Schattierung des Daseins bestimmen zu dürfen. Hörhinweis: „Many Faces“, „Happy“, „Relative“.
RPWL, die wahrscheinlich konsequenteste Art-Rock-Band der Welt, traut sich an ihr erstes Konzeptalbum „Beyond Man and Time“. Um es kurz zu machen: Auch das gelingt. Selbst der größte Ablehner dieser Musik wird hier seinen verkrusteten Hut ziehen müssen. Keine Sekunde Langeweile, jeder Moment des Albums eine Achterbahnfahrt, eine offene Stringenz, die – wie bei jedem RPWL-Album – mit einer fast dreisten Leichtigkeit daherkommt. Ausnahmslos jedem sei empfohlen, sich einmal im Leben auf ein RPWL-Album einzulassen. Irgendwas haben die Jungs…
Diskografie
- The Audience – Hearts (Hazelwood, 06.04.2012)
- Soko – I thought I was an Alien (Warner, 02.03.2012)
- East 17 – Dark Light (F.O.D. Records, 30.03.2012)
- Eva – Sky Wide Open (Honx Music, 30.03.2012)
- RPWL – Beyond Man and Time (Gentle Art of Music, 09.03.2012)