Peter Lackner +++ Alexander Schubert +++ Sound Art@het Apollohuis +++Johannes Fritsch +++ Barbara Lüneburg
Der vor einem Jahr verstorbene Johannes Fritsch gehörte zur Komponistengruppe um Karlheinz Stockhausen, die 1970 das Kölner Feedback Studio gründeten und sich früh mit Live-Elektronik befassten. Seine Werke aus den frühen 1960er Jahren haben nichts von ihrer spontanen Frische eingebüßt, vor allem der improvisatorische Dialog mit sich selbst durch eine zugespielte Aufnahme im „Duett für Bratsche“ oder das „Madrigal triste“ für Oboe und Tonband. „Partita“ für Viola, Kontaktmikrofone, Tonbänder, Filter und Regler ist ein gelungenes Beispiel für die Integration der Technik in die schöpferische Fantasie. Gleich drei „Mitspieler“ sind mit der Aussteuerung der Geräte befasst. Die Rückkopplungsregler betätigt ein prominenter Gast: Karlheinz Stockhausen. (Cybele CD 960.310).
Textkompositionen vom Feinsten: Den Rahmen bilden die Klassiker „A-Ronne“ von Luciano Berio und eine dreistimmige Version von Cathy Berberians „Stripsody“. Dazwischen Cages „Story“ von 1940, die Wortkomposition des mit Cage befreundeten Poeten Jackson MacLow sowie Werke von Roger Marsh und Sheldon Frank, zwei weitere amerikanische Experimentalkünstler aus dem Zwischenbereich von Poesie und Musik. Die Interpretation durch Paul Hillier und seine Vokalgruppe Theatre of Voices ist stimmlich und aufnahmetechnisch so perfekt, dass es gar nicht mehr auffällt – die Technik verschwindet einfach hinter der Musik. (Harmonia Mundi HMU 807527)
Auch die dem ephemeren Moment verpflichtete Experimentalkunst landet eines Tages in den Archiven und wird damit unsterblich, zum Beispiel durch die Dokumentation Sound Art@het Apollohuis. Die Doppel-CD enthält in 24 Häppchen Ausschnitte aus Veranstaltungen, die im gleichnamigen Veranstaltungsort in Eindhoven in den achtziger und frühen neunziger Jahren stattfanden. Das Haus war damals ein Brennpunkt der internationalen Performance-, Elektronik- und Installations-Szene. Akio Suzuki, Alvin Lucier, Bob Ostertag, Jaap Blonk, Ron Kuivila und Phill Niblock sind einige der illustren Namen in dieser Dokumentation. Etwas fürs Sammlerregal. (Wergo 2069 2)
„Weapon of Choice“ heißt ein Musikvideo von 2001 mit einem tanzenden Krawattenmann, und so heißt auch das Stück für Violine, Live-Elektronik und Bewegungssensor von Komponist und Labelchef Alexander Schubert, das dieser DVD mit der souverän agierenden Geigerin Barbara Lüneburg ihren Namen gab. Sie spielt fünf Kompositionen, die Klang und Bild miteinander verbinden. Die Verfahren reichen von abstrakten Bildanalogien bis zur ironischen Verfremdung von Dokumentationsmaterial, von dem den Interpretationsakt beobachtenden Bild bis zur Einbeziehung von Text, der eine durch das Bild nur angedeutete Geschichte erzählt. Für die aufwändigen audiovisuellen Produktionen standen das ZKM Karlsruhe und der Deutschlandfunk Köln Pate. (Ahornfelder AH21)
Zehn als Kanon betitelte Stücke enthält die Doppel-CD von Peter Lackner, doch geht es dem Grazer Komponisten nicht um strenge Mehrstimmigkeit, sondern ganz allgemein um objektive, im Hintergrund wirksame Gesetzmäßigkeiten: Magische Quadrate, das chinesische I-Ching, geometrisch-mathematische Anordnungen. In den Webernschen Tontupfern des Klaviers, im ruhigen Akkordkontinuum des Streichquartetts oder in den fließenden Geräuschklängen des Orchesters in Form eines (unhörbaren) Spiegelkanons klingt etwas nach von der kosmisch verankerten Zahlenwelt eines Josef Mathias Hauer. Mein Favorit: Der in sanften Wellen dahinströmende „Kanon für Klavierautomat“, der mit einem extra dafür entwickelten Computerprogramm hergestellt wurde und auf 212 = 4.096 Tonkombinationen beruht. (Extraplatte EX 818-2)