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In der Kürze liegt die Würze

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Das Symphonieorchester des ORF feiert mit 102 klingenden Miniaturen seinen 40. Geburtstag
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Gleich dutzendfach finden sich in den Regalen nicht nur gut sortierter Kulturkaufhäuser Enzyklopädien, die das Beste vom Besten versprechen. Doch was im Fernsehen für den Bereich der Bildenden Kunst zwischen 1981 und 1994 noch Kultstatus hatte (manifestiert gar durch einzelne Parodien), ist heute vielfach zur puren Massenware verkommen: »100 Meisterwerke« der Musik, der Kunst, der Literatur – oder auch des Rotweins. Und alles herrlich leicht zu konsumieren in gut verdaulichen Dosen.

Weitaus origineller mutet das Geschenk an, das sich das Symphonieorchester des Österreichischen Rundfunks selbst zu seinem 40. Geburtstag (2009) gemacht hat und das nun auch in Form einer Doppel-CD öffentlich zugänglich ist: 102 »masterpieces«, oder doch wohl in den allermeisten Fällen besser: »Miniaturen«, von ebenso vielen österreichischen Komponisten.

Passend zum Anlass hatte man jeweils eine Partitur von 40 Sekunden Dauer erbeten – doch schon der flüchtige Blick ins Booklet zeigt, was man auch aus anderen Bereichen des Lebens kennt: Die einen liefern der Vorgabe entsprechend, wenige üben sich in (falscher) Bescheidenheit, und wieder andere haben diesen Punkt der Vereinbarung wohl erst gar nicht wahrgenommen: Das längste Werk dauert immerhin über zwei Minuten. Zudem fällt auf, dass es sich bei mancher Partitur nur um einen Ausschnitt aus einem größeren Werk handelt – so dass sich die Frage aufdrängt, warum eine Beschränkung, mehr noch: Die Konzentration auf einen wesentlichen Gedanken heute scheinbar so schwer fällt. Umso erstaunlicher ist es daher, dass Christian Scheib, verantwortlicher Redakteur des Projekts, in seinem Vorwort mit Nennung von exemplarischen Namen darauf hinweist, dass eben doch manches Werk „fast ein Lebenswerk in eine akustische Visitenkarte“ kondensiert und das neuenglische „to put it in a nutshell“ bemüht – wo doch Shakespeares Hamlet den ganzen Sachverhalt weitaus vielschichtiger umrissen hätte: »Weil Kürze denn des Witzes Seele ist, Weitschweifigkeit der Leib und äussre Zierat: fass ich mich kurz.« So ist nun ohne viel Aufhebens eine klingende Dokumentation, eine Momentaufnahme der künstlerischen Vielfalt im »Musikland« Österreich entstanden, bei der sich das in seiner Existenz bedrohte Orchester von einer seiner allerbesten Seiten zeigt.

Freilich: So originär wie sich die Produktion gibt, ist sie dann doch nicht. Bereits 1824 veröffentlichte der Wiener Verleger Anton Diabelli eine Folge von 83 Variationen von 51 Komponisten über ein eigenes Thema – den »Vaterländischen Künstlerverein« (Beethoven lieferte bekanntlich statt nur weniger Takte gleich einen ganzen Zyklus). Behält man diesen illustren »Verein« im Sinn und schaut von heute aus in die Zukunft, so wird dann wohl auch in 185 Jahren von dem Œuvre manch eines aktuellen Tonkünstlers womöglich kaum mehr übrig geblieben sein als sein hier verewigtes »masterpiece«. Tempus fugit.

102 Masterpieces. ORF Vienna Radio Symphony Orchestra miniatures. ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Gottfried Rabl. Capriccio 5051 (2 CDs).

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