Cesaria Evora: Rogamar,
Sony/BMG
1988 erschien „La Diva aux Pieds Nus“ und es schien schon klar, welches Schicksal Cesaria Evora beschieden war: Sie würde die Sensation eines Tages oder einer Woche sein, eine Heldin für fünfzehn Minuten, wie das David Bowie ein Jahrzehnt früher geradezu programmatisch mit böser Wollust genannt hatte, ein exotischer Reiz für den raschen Verzehr.
Aber es kam ganz anders: Cesaria Evora war keine schon ein wenig in die Jahre gekommene Drittwelt- beziehungsweise Weltmusik-Cinderella, der ein wenig goldener Sternenstaub in die weit geöffneten Hände fällt. Sie war und blieb, jenseits der alltäglichen Rassismen, eine Künstlerin, deren Arbeit von „Nachhaltigkeit“ geprägt ist, wie man das im Grünen-Milieu der Metropolen nennen würde.
Sie hat in knapp zwei Jahrzehnten mehr als fünf Millionen Alben ver-kauft, sie veröffentlicht bei einem Musik-Multi, ist also alles andere als ghettoisiert oder marginalisiert, aber sie hat ihre Seele nicht verkauft.
Auf „Rogamar“ gibt es eine Fülle außergewöhnlicher Chansons, mit ein wenig französischem Flair, mit viel portugiesischer Melancholie, vor allem aber mit afrikanischer Folklore in allen Spielarten, übermütig, insistent, mit einer Lust an der Wiederholung, am beschwörenden Refrain, die man nur in einer Volksmusik antrifft, die sich Verwertungszwängen beziehungsweise den Kompatibilitätserfordernissen des Weltmarkts noch nicht gebeugt hat.
Ist also Cesaria Evora authentisch, „unverbraucht“? Das nicht. Sie nähert sich den autochthonen Traditionen auf eine fast brechtische Weise: zeigend, diskutierend, aber voller Respekt und Staunen. Irgendwo zwischen Lissabon und Sao Tome spielen diese kleinen Lieder, in deren Innerstem sich pathetische Opern der Alltäglichkeit verbergen.
Die Rhythmen sind oft tanzbar – und fast immer verträglich mit einer Narration, die weder Anfang noch Ende kennt, durch die das Leben mit all seiner Schönheit und all seinen Schrecken hindurchgeht.