Musik von und mit: Thierry Pécou, Duo Anna Kwiatkowska (Violine) und Joanna Opalinska (Klavier), Minguet Quartett und der Pianist Markus Bellheim und Valentin Silvestrov.
Wenn eine CD mit „Sacred Songs“ betitelt ist, ist ein meditativer Grundton zu erwarten. Das ist auch bei den Vokalwerken von Valentin Silvestrov der Fall, die der Kammerchor Kiev unter Mykola Hobdych bereits 2008 in der St. Michael Kathedrale der ukrainischen Hauptstadt aufgenommen hat. Doch sie sind zugleich innerlich höchst lebendig. Kurz hervortretende Soli, hell aufleuchtende Sopranstimmen und eine sich frei entfaltende Ornamentik schaffen eine detailreiche Klanglandschaft. Klangschöne, lange gehaltene Akkorde, die durch die Raumakustik optimal gestützt werden, bilden die Basis der melodischen Lineaturen; in ihrem Gestus folgen sie der ukrainischen Sprache, ihre zeitliche Gestalt ist wie einst in der Gregorianik durch den Atem bestimmt. Silvestrov erweist sich hier als unübertroffener Meister der Chorkomposition. Die Mischung von tiefem Ernst und überirdischer Heiterkeit zieht auch den laizistisch eingestellten Hörer in ihren Bann. (ECM)
Das Minguet Quartett und der Pianist Markus Bellheim geben mit Werken aus vier Jahrzehnten einen informativen Einblick in das Kammermusikschaffen von York Höller. Den zeitlichen Rahmen bilden die kompakten, durch präzise Sprachgesten charakterisierten „Drei Fragmente“ von 1966 und „Zwiegestalt“ von 2007/08; hier sind die Zeitverläufe stark gedehnt, und in Verbindung mit dem Klavier entstehen dramatische Dialoge, aber auch Klangwirkungen von magischer Intensität. Dazwischen das zweite Quartett von 1997 mit seiner tiefgreifenden Transformation vorklassischer Satzmodelle und „Antiphon“ in der revidierten Fassung von 1984, wo sich Elektronik und der Rückgriff auf die Linearität der Gregorianik zu einem spannungsvollen Klangbild verbinden. Die vier Werke sind denkbar verschieden, allen gemeinsam ist aber ein starker kompositorischer Wille, der die unterschiedlichen Anregungen und Materialien zu einem erkennbaren Personalstil verschmilzt. (Neos)
Mit Werken von vier Komponistinnen wirft das polnische Duo Anna Kwiatkowska (Violine) und Joanna Opalinska (Klavier) noch einmal einen Blick auf das, was einst als „Frauenmusik“ die männlich dominierte Öffentlichkeit eroberte. Die vier Namen stehen für ganz unterschiedliche Entwicklungsstufen in diesem Prozess. Kaija Saariaho lässt mit souveräner Geste das Weiblichkeitsparadigma vergessen, Olga Neuwirth zeigt in „Quasare/Pulsare“ ihre Freude an der Eroberung neuer Klangdimensionen, in „Cadenza“ von Agata Zubel kann die Geigerin ein Feuerwerk an virtuosen Figuren und Artikulationsarten entfachen. Von der 1993 im Alter von 53 Jahren verstorbenen Barbara Buczek sind zwei musikalisch packende und technisch anspruchsvolle Violinsoli zu hören – eine wertvolle Entdeckung. Im Spiel der beiden Interpretinnen verbindet sich kapriziöse Eleganz mit technischer Geschmeidigkeit und einer Prise Aggressivität. Vielleicht ist das gerade die richtige Mischung für die thematische Auswahl der Stücke. (Sarton Records)
Thierry Pécou, Franzose mit karibischen Vorfahren, begibt sich in vielen seiner Kompositionen auf geistige Entdeckungsreisen in versunkene Kulturen. Imaginierte oder reale „Originalklänge“ transformiert er dabei auf gekonnte Weise in eine zeitgenössische, von jedem Folklorismus freie Musiksprache. In „Les Liaisons magnétiques“, komponiert auf den Tod von Henri Dutilleux, schlägt er eine Brücke zu einer mystischen Andenkultur, was sich in einem düsteren Klangbild niederschlägt, im Sextett für Bläser und Klavier ließ er sich von der Klanglichkeit des indonesischen Gamelan inspirieren. Sein sensibles Reagieren auf das Heute zeigt sich in „Les machines désirantes“. Die „begehrenden Maschinen“ sind ein beunruhigendes Symbol des aus der Spur geratenen Gegenwartsmenschen. (æon)