Neue Musik unter anderem von und mit: Luka Juhart, Claus-Steffen Mahnkopf, Tigran Mansurjan, Luc Ferrari, Christopher Fox, Vito Žuraj und Eduard Demetz
Klar, ein Aufzug geht nur rauf und runter und sonst nichts. Aber was Christopher Fox in seinem Klavierstück „L’ascenseur“ siebzehn Minuten lang durchexerziert, ist eine sehr spannende Reise vom tiefsten bis ins höchste Register. Eine Klangskulptur, die sich im Lauf der Zeit in ihrer Konsistenz und Oberflächenbeschaffenheit stets verändert. In der Verbindung von geheimnisloser Konstruktion und Lebendigkeit der Erscheinung erinnert es an Nancarrows Stücke für Player Piano. Die zeitlupenhaften Klangprozesse dieser Klavierstücke bringt Philip Thomas plas-tisch zur Darstellung: langsame Veränderung der Obertonresonanzen eines einzigen Tons, Spielen mit und ohne Handschuhe oder, auf einer „inhaltlichen“ Metaebene, ineinanderfließende Stile und Themen von Beethoven bis Ives, inklusive „God Bless America“. Alles schön verschlüsselt, versteht sich. (hat[now]ART 192)
Die „Études d’improvisation“ für Tonband und Klavier – auf der CD sind sie doppelt fehlerhaft als „Exercises“ bezeichnet – sind ein schönes Beispiel für die konzeptionelle Offenheit, die viele Werke von Luc Ferrari auszeichnet. Auch für die praktikable, einfache Technik, wie er sie in seinem 1972 gegründeten „Studio Billig“ entwickelte. Vorgegeben sind nur sieben elektronische Tracks, und die Musiker müssen sich, passend zu deren Charakter, etwas dazu einfallen lassen. Wieviele Stücke, wieviele und welche Instrumente, ob konzertant oder als Unterrichtsmaterial – all das ist der kreativen Fantasie der Interpreten überlassen. Und über diese verfügt Ciro Longobardi in hohem Maße. Mit seinen Klavierimprovisationen führt er einen spannungsvollen, von kompositorischem Verständnis gelenkten Dialog mit Ferraris Vorgaben. (Stradivarius STR 33968)
Armenien ist ein karges Bergland, eingeklemmt zwischen anderen Kulturen und politischen Machtpotenzialen, das seine jahrtausendealte Kultur immer hartnäckig verteidigt hat. Etwas von dieser Geschichte wird in der Musik des 1939 geborenen Tigran Mansurjan hörbar. Die konzertanten Werke für Violine und Cello mit Streichorchester – auch ein Doppelkonzert ist dabei – verweigern sich dem schnellen Zugang, entfalten beim genauen Hinhören aber eine enorme Sprachfähigkeit. Eine ausdrucksstarke Linearität der Soloinstrumente, herbe Streicherklänge, eine Tendenz zur verhaltenen Ekstase und zum Aufwärtsstreben bis in entmaterialisierte Regionen sind prägende Eindrücke. Die Basis auch der dichtesten Texturen ist letztlich die individuell gestaltete Linie. Patricia Kopatchinskaja und Anja Lechner rücken zusammen mit der Amsterdam Sinfonietta die verborgenen Schönheiten dieser Musik auf unnachahmliche Art ins Licht. (ECM 481 0667)
„Deconstructing Accordion“ heißt die neue CD des slowenischen Akkordeonisten Luka Juhart, benannt nach der Komposition von Claus-Steffen Mahnkopf, die beispielhaft für die Ästhetik dieses Albums steht. Musikalische Intelligenz in Einheit mit Virtuosität, Einbezug aller klanglicher Möglichkeiten des Instruments vom Windgeräusch über Tastenklappern bis zum differenziert modellierten Ton, und das Ganze mit hohem körperlichem Einsatz: Das sind einige der Ingredienzien, die Juharts Spiel zu einem faszinierenden Hörerlebnis und das Akkordeon zu einem Hyperinstrument machen, das locker zwischen menschlichem Laut und quasi-elektronischem Klang zu vermitteln versteht. Die weiteren Werke von Vito Žuraj, Eduard Demetz und Arturo Fuentes stehen dem nicht nach. Juharts eigene Komposition „hrUP“ setzt den rhetorisch wilden Schlusspunkt. (Neos 11407)