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A propos Vaughan Williams: Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Andrew Manze hat dessen Ballettmusik Job, ein Hauptwerk neben seinen Symphonien, packend und kompromisslos eingespielt.

A propos Vaughan Williams: Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Andrew Manze hat dessen Ballettmusik Job, ein Hauptwerk neben seinen Symphonien, packend und kompromisslos eingespielt.

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Eigenwilligkeit, bleibender Eindruck

Untertitel
Repertoire-Raritäten, vorgestellt von Juan Martin Koch
Vorspann / Teaser

Welch eine Wohltat: Die Sinfonia of London unter John Wilson belässt es auf ihrem neuen Album in der Tallis-Fantasie von Ralph Vaughan Williams nicht dabei, sich in spiritueller Wohligkeit zu ergehen. Vielmehr machen die exzellenten Streicher deutlich, dass es, wie so oft bei dem hierzulande nach wie vor unterschätzten Komponisten, wirklich um etwas geht. Das lässt sich ebenso von der Repertoire-Überraschung dieser auch aufnahmetechnisch hervorragenden CD sagen: Das Konzert für Streichorchester von Herbert Howells ist ein charakterstarkes, im Mittelsatz hinreißendes Werk und hinterlässt, auf diesem Niveau gespielt, bleibenden Eindruck. Die Qualität von Edward Elgars Introduktion und Allegro ist bekannt, Frederick Delius’ „Late Swallows“, das Arrangement eines Streichquartettsatzes, ist eine gehaltvolle Dreingabe. (Chandos)

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A propos Vaughan Williams: Das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra unter Andrew Manze hat dessen Ballettmusik Job, ein Hauptwerk neben seinen Symphonien, packend und kompromisslos eingespielt. Aus der mystisch-modalen Grundstimmung heraus steigert sich das Orchester zu musikdramatischer Wucht und Überzeugungskraft (etwa in der Abfolge Jobs Traum – Tanz der Plagen). Die Satan-Szenen entwickeln das nötige Bedrohungspotenzial. Selbst für den englischen Markt eine Rarität ist das Ballett Old King Cole, dessen Rezeption unter der erfolglosen Uraufführung von 1923 litt. An Vaughan Williams’ Musik lag’s wohl eher nicht, deren Folktune-Adaptionen nicht weniger gelungen sind als die seiner bekannteren Werke dieser Stilrichtung. Der kurze letzte Satz lässt mit einem Violinsolo eine Erinnerung an das drei Jahre zuvor entstandene „The Lark Ascending“ vorüberziehen. (Onyx)

Was für ein wunderbar eigenwilliges Teil: Carl Nielsens Klarinettenkonzert, selten im Konzert zu hören, besticht durch seine flüssige Formbehandlung, die Ausdrucksvielfalt des Soloparts und das perkussiv geschärfte Mitgestalten durch den klein gehaltenen Orchesterapparat. Der brillante Daniel Ottensamer und die Wiener Philharmoniker unter Ádám Fischer werden dem – bis auf ein Schwächeln der Streicher im dritten Abschnitt – bestens gerecht; es entspinnt sich ein spannungsvolles Mit- und Gegeneinander. Zur Beruhigung gibt es eine Auswahl Lyrischer Stücke von Edvard Grieg in Ottensamers Bearbeitung, die der Klarinettist zusammen mit Chris­toph Traxler am Klavier zu durchaus eigenständigen Miniaturen formt. Nielsens kurze Fantasie und Griegs „Letzter Sommer“ runden den kammermusikalischen Block dieses schönen Albums ab. (Sony Classical)

Über die „Danse macabre“ hinaus haben sich Camille Saint-Saëns’ Symphonische Dichtungen nur bedingt im Orchesterrepertoire etabliert. Das Sinfonieorchester Basel wagt mal wieder einen Versuch und hat gute Argumente in der Hand, neben dem hier sehr elegant und geschmackvoll servierten Klassiker auch mal ein anderes dieser Werke aufs Programm zu setzen. Die luftig-schlanke Herangehensweise, die Ivor Bolton mit seinem gut aufgelegten Orchester anschlägt, bekommt den im Gegensatz zu Saint-Saëns’ Vorbild Franz Liszt effizienter und wirkungsvoller orchestrierten Stücken sehr gut. Dies gilt insbesondere für „Phaéton“ und „Le rouet d’Omphale“, die gehaltvollsten der Serie. Aber auch die Orientalismen in „La jeunesse d’Hercule“ und im Bacchanale aus „Samson et Dalila“ verströmen in dieser schön präsentierten, aber in Sachen Spielzeitausnutzung etwas sparsam bemessenen Aufnahme ihren Charme. Gespielt wird übrigens nach der neuen Kritischen Ausgabe von Hugh Macdonald. (Prospero)

Kurt Weills Sinfonien, die herausragende zweite zumal, müssten eigentlich längst einen festen Platz im Orchesterrepertoire haben. Diese neue Aufnahme mit dem Swedish Chamber Orchestra unter dem Weill-Spezialisten HK Gruber macht das einmal mehr deutlich. Der typische, hier aber nachdenklich abgetönte und sinfonisch nobilitierte 1930er-Jahre-Sound ist präzise getroffen, das Orchester spielt ausgezeichnet (Hornsolo im zweiten Satz!). Auch für die erst 1955 wieder aufgetauchte erste Sinfonie ist diese Interpretation ein starkes Plädoyer. Ganz selbstverständlich und mit der nötigen energetischen Aufladung spannt sie den von Weill erstaunlich souverän angelegten einsätzigen Bogen von über 20 Minuten Spieldauer. In Ausschnitten aus dem „Silbersee“ glänzt HK Gruber außerdem als prägnanter Weill-Vokalist: „Zins und Zinseszins!“ (BIS) 

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