Zurzeit verteilt das Goethe-Institut eine Reihe Postkarten mit Schlaglichtern aus sechs Jahrzehnten Kulturarbeit, um das eigene Jubiläum zu feiern. Auf einer davon sieht man den jungen Klaus Doldinger sitzen, umringt von pakistanischen Musikern, ein Sopransaxophon in Arbeit. Es ist ein typisches Foto, in vieler Hinsicht. Denn schon damals gehörte Klaus Doldinger nicht nur zu den Kulturbotschaftern Deutschlands, sondern war auch jemand, der mit Neugier und Offenheit den Dialog der Kulturen als Chance wahrnahm, selbst von den anderen zu lernen.
Diese Mischung aus Wissensdrang und Talent, Beharrlichkeit und Gespür fürs Populäre machte ihn zum erfolgreichsten deutschen Jazzmusiker der vergangenen Jahrzehnte und zu einem der wenigen, die über die engen Grenzen der Heimat hinaus auch in der Ferne ein Begriff wurden.
Stichwort Passport. Nur die Rolling Stones und ein paar wenige Rocksaurier sind inzwischen länger zusammen. Klaus Doldinger hatte die Combo 1970 zunächst unter dem Namen „Motherhood“ gegründet, nachdem sich sein vorheriges Quartett aufgelöst hatte. Ein Jahr später wurde daraus „Passport“, ein Versuchslabor des Fusion-Sounds, das sogar dem gestrengen Down Beat bald als deutsches Pendant zu „Weather Report“ galt. Mit Kristian Schultze an den Tasten, Wolfgang Schmid am Bass und Drummer Curt Cress entwickelte sich die Band zu einem Markenzeichen für Groove und Spaß auf der Bühne, was zwar manchen Jazzpolizisten nicht behagte, dafür aber Meilensteine wie das Album „Iguaçu“ (1977) hervorbrachte.
Stichwort Film und Fernsehen. Von Jazz allein kann man schlecht leben, das wusste schon der junge Musik-Stipendiat der späten 50er und spielte neben modernen Sounds Dixieland und Unterhaltungsmucke. Später kamen Soulklänge hinzu, vorsichtshalber unter dem Pseudonym Paul Nero veröffentlicht, und dann öffnete sich die Tür zur Film- und Fernsehwelt. Klaus Doldinger bewährte sich, schrieb Soundtracks zu Streifen wie „Baal“ (1970), Hits wie die elegische Melodie zu „Das Boot“ (1981) und verankerte sich mit dem „Tatort“-Thema fest im kulturellen Leben der TV-Republik Deutschland.
Dann folgten die Preise: vom Bundesverdienstkreuz über Ehrungen durch die Städte München, Frankfurt oder Goslar bis zum Echo Jazz 2010 für das Lebenswerk – das er selbst noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet. So erscheinen anlässlich seines 75. Geburtstags am 12. Mai 2011 gleich zwei neuen Alben. „‚Inner Blue‘ ist ein echtes Passport-Album“, meint Klaus Doldinger. „Nach einer Live-Aufnahme fand ich es an der Zeit, ins Studio zu gehen und unserem Repertoire noch ein paar Akzente hinzuzufügen, die es bislang nicht hatte. Die andere Aufnahme reicht zurück in graue Vorzeit, genau genommen in das Jahr 1968, als der Dirigent Werner Andreas Albert mich dazu anregte, etwas für klassisches Orchester zu schreiben. So entstand das ‚Jazzconcertino‘, das wir nun mit dem Symphonieorchester von Ludwigshafen mehrfach wieder aufgeführt haben.“ Klaus Doldinger ergänzte das Programm des „Symphonic Project“ noch um zwei weitere kürzere Orchesterstücke und mehrere Bearbeitungen von Filmmusik, so dass daraus ein rundes Programm wurde, das nun zusammen mit „Inner Blue“ das Geburtstagsbouquet bildet. Darüber hinaus wird außerdem ordentlich weiter gejazzt, mal mit den jungen Kollegen der aktuellen Band, mal zum 40. Jubiläum um „Passport“ in Originalbesetzung ergänzt wie etwa in Stuttgart, Köln oder am Tollwood Festival. Denn wer will sich schon zur Ruhe setzen, wo es noch so viel musikalische Geschichten zu erzählen gibt!
CD-Tipps
- Klaus Doldinger’s Passport: Inner Blue (Warner, 2011)
- Klaus Doldinger: Symphonic Project (Warner, 2011)