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EU-Musik

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Vom Verhältnis des Pop zur Kompositionsmusik
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In diesen Wochen ist die erste Klassik-DJ-Mix-CD erschienen, gemacht für so genannte Lounge-Clubs, die urbanen Erholungszentren gut verdienender Angestellter und ihr Lifestyle-Entspannungsbedürfnis. „Yellow Lounge“ ist in Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon entstanden. „Klassik macht Laune. Und sie ist gelb“, heißt’s im Info. Und so geigt man sich durch die Hits von Fauré, Mozart, Grieg und Glass, von Rachmaninoff bis Sibelius. Das Verhältnis Klassik und Pop wird einfach mit der Losung „Klassik ist Pop“ aufgelöst: „Klassik braucht eine zeitgemäße Form der Inszenierung“. Gleichzeitig wirbt die Deutsche Grammophon im „Magazin für Popkultur“ Spex für seine „Christoph Schlingensief trifft Richard Wagner“- und „Diedrich Diedrichsen trifft Arnold Schönberg“-Editionen.

In diesen Wochen ist die erste Klassik-DJ-Mix-CD erschienen, gemacht für so genannte Lounge-Clubs, die urbanen Erholungszentren gut verdienender Angestellter und ihr Lifestyle-Entspannungsbedürfnis. „Yellow Lounge“ ist in Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon entstanden. „Klassik macht Laune. Und sie ist gelb“, heißt’s im Info. Und so geigt man sich durch die Hits von Fauré, Mozart, Grieg und Glass, von Rachmaninoff bis Sibelius. Das Verhältnis Klassik und Pop wird einfach mit der Losung „Klassik ist Pop“ aufgelöst: „Klassik braucht eine zeitgemäße Form der Inszenierung“. Gleichzeitig wirbt die Deutsche Grammophon im „Magazin für Popkultur“ Spex für seine „Christoph Schlingensief trifft Richard Wagner“- und „Diedrich Diedrichsen trifft Arnold Schönberg“-Editionen.Im populären Bereich hängt Klassik-Kultur tatsächlich mal wieder in der Luft. Die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik hat sich im 21. Jahrhundert beileibe nicht erledigt. Nach wie vor funktioniert das gesamte öffentliche Musikleben, von der Produktion bis zur Rezeption, streng in diesen Kategorien. Und deshalb sind nach wie vor die Zwischenräume spannend. Es geht hier also nicht um Charts-Stars wie Alicia Keys, die bei Konzerten gern mal „Für Elise“ anstimmt, oder Mary J. Blige, die am Anfang ihrer neuen Platte das „Bergkönig“-Thema verwurstet. Denn viele Musiker denken nicht nur an den Gebrauchs- und Vermarktungswert von – nennen wir es: auskomponierter Musik. Junge Klangkünstler interessieren sich für die ästhetischen Gehalte der E-Klänge, vom Streichersatz der Romantik bis zu den strengen Sinuston-Experimenten in avantgardistischen Rundfunkstudios der 60er-Jahre.

Der „Yellow Lounge“-Mix beginnt übrigens mit den „Gymnopédies“ von Erik Satie. Die grimassierende Figur, die den musikalischen Leiter des „Moulin Rouge“ im gleichnamigen Film von Baz Luhrmann darstellt, soll genau er sein: Erik Satie. Passt schon, historisch, irgendwie. Der Pariser Lebemann ist gerade im Trend. Und auch einer der auffälligsten popkulturellen Klangforscher der 1990er, Aphex Twin, schleicht um den Konzertflügel herum und spürt, leicht ironisch verdreht, im Rahmen seines neuen Albums „Drukqs“ den melancholischen Klimpertönen im Klangraum eines Konzertsaales nach, mit erzählerischem Gestus. Saties Hits wie die „Sonatine Bureaucratique“ lassen grüßen. Immerhin geht Aphex Twin (alias Richard D. James) über die reine Nachahmung oder Ausbeutung hinaus, indem er die nostalgische Dramaturgie bricht: Die Stücke dieser Art wechseln sich mit den atemberaubenden Drum&Bass-Orgien ab, für die der Brite berüchtigt ist. Dabei bleibt offen, in welcher Weise Ursprung und Bearbeitung der Sounds und Klangquellen im Verhältnis stehen. Aphex Twin zählt schließlich zu den so genannten Laptop-Musikern, die ihre Klänge und Samples in den virtuellen Studios der Computer in Form bringen. So entsteht die Spannung in der Musik nicht zuletzt aus der Gleichzeitigkeit und Uneindeutigkeit der digitalen und der natürlichen Klangräume.

Es passiert immer häufiger, dass man nicht mehr genau weiß, ob einem ein E für ein U vorgemacht wird oder anders herum. Vielleicht hat man es einfach mit EU-Musik zu tun. Eine Unterscheidung ist allerdings nötig: Es gibt die Popmusik, die mithilfe Pop-kompatibler E-Musik erweitert wird, zum Beispiel mit Samples einer harmonisch geläufigen Streichorchester-Komposition – quasi auf den Spuren der Beatles und Beach Boys in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre. Und es gibt zeitgenössische Computermusik, deren Macher sich in der Tradition der E-Musik-Avantgarde der kulturhis- torischen Moderne begreifen, während in einem Parallelleben ihr Herz der progressiven Clubmusik auf der Basis von Techno gehört. Für beides benutzen sie mehr oder weniger jenes eine Instrument. Und die von Jahr zu Jahr umfangreichere Software schafft, neben der Miniatisierung zum Laptop, weitere Möglichkeiten. Deren theoretische, ästhetische und musikalische Grundlagen sind um die vergangene Jahrtausendwende herum bis auf das letzte Bit ausgelotet worden, vom surrenden Modem-Sound bis zur klickenden Fehlermeldung, sowohl in Richtung Pop als auch in Richtung avantgardistisches Experiment. Die beiden „Clicks & Cuts“-Zusammenstellungen des Frankfurter Mille Plateaux-Labels zeugen davon.

Der Musiker Markus Popp wiederum hat unter dem Projektnamen Oval ein Modell entworfen, das sich mit spezieller Software-Entwicklung und enormem theoretischen Überbau einer neuen Form der Organisation von Klängen widmet, „für eine mögliche andere Musik“, wie es bei ihm heißt. Sein ebenfalls aus Köln stammender Kollege Markus Schmickler arbeitet seit Jahren mit Musikern und Ensembles zusammen, die sich der Neuen Musik verpflichtet fühlen. Die digitale Bearbeitung und Untersuchung der live aufgenommenen Töne ist Teil der Kompositionen. So etwas führte ihn sowohl zum Jazzfestival in Moers als auch zu einem Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium in Köln.

Kein Wunder aber auch, wenn manchmal das Klangergebnis hinter den strengen Konzepten zurückbleibt. Wenn der japanische Musiker Atau Tanaka Bilder des berühmten Fotografen Nobuyoshi Araki einscannt, und die entstandenen digitalen Daten, umgewandelt in elektronische Sounds, die Grundlage für seine kompositorische Arbeit darstellen, dann ist am Ende die Idee als Experiment interessanter als das auf Tonträgern fixierte Musikstück selbst. Denn „Artificially amplified raindrop deepest thoughts for sale“, zu finden auf der Compilation „Bip-Hop Generation v.3“, entpuppt sich als vierteiliger, 15-minütiger elektronischer Track im schwerfälligen Rhythmus und mit viel Geflirre im akustischen Überbau. Das mag sich hübsch anhören. Da jedoch Sounds und Beats sich an wiedererkennbare Popkonnotationen halten (Click & Dub), finden initialer Impetus und Musik schwerlich zueinander. Wer von der Idee weiß, nickt sie ab. Alle anderen können eine Viertelstunde lang in schicke popimmanente Spacesounds abdriften.

Der kaum noch definierte Rahmen der zeitgenössischen Clubkultur – mit den Sparten Dance, Ambient, Lounge und vor allem Listening – lässt das Niemandsland zwischen Pop- und Hochkultur geradezu unendlich erscheinen. Künstler wie der Frankfurter Musiker und Hörspielautor Albrecht Kunze, der sowohl für seine Radiostücke als auch unter dem Künstlernamen Lamé Gold häufig mit gesampleten Stringsounds arbeitet, fühlen sich in diesem Niemandsland recht wohl. Kunze beschreibt sich selbst als von der Popkultur sozialisiert, will seine Arbeiten auch gar nicht Kompositionen nennen. Und doch klingt hinter dem Groove, den das Gestaltungsmittel der Repetition mit sich bringt, die konzeptionelle Genauigkeit mit.

Seine ästhetischen Überlegungen erinnern eher an die Herangehensweise eines Komponisten als eines Popautoren. Etwa wenn er im Gespräch sein Interesse am Streicherklang erläutert: „Mich interessieren Strings zum einen wegen des musiktechnischen Aspekts. Streichinstrumente sind monophon. Der lang anhaltende, mit dem Bogen gestrichene einzelne Ton ist geeignet, um ihn mit den Plug-Ins, den virtuellen Effektgeräten, zu bearbeiten. Das ist im Sinne gestalterischer Freiheit interessant. Und darüber steht schließlich der zweite, wichtige Punkt: Mich interessiert die gefühlsmäßige Belegung, die mit Streichersounds verbunden ist. Das Arbeiten mit der Behauptung dieses Gefühls ist für mich entscheidend. Sowohl für die Sehnsucht, die sich in meinem Hörstück ‚Homecoming Concert‘ äußert, als auch für die dunkle oder herbstliche Stimmung der Lamé Gold Musik. Aber jeder, der aufgrund bestimmter Stringsounds den Effekt der Melancholie bei sich feststellt, sollte sich auch über seine Erdung seines musikalischen Empfindens im Bürgerlichen klar sein.“

Die Erdung des musikalischen Empfindens im Bürgerlichen ist nicht weit entfernt von der Stelle, wo Pop geerdet ist. Die Kunst ist, dieses Empfinden als bewusst gewählte Erinnerung mit einem neuen Instrumentarium in Musikstücke zu gießen. Das führt automatisch in die Grenzgebiete zwischen den industriellen Standards. DJs, die Klassik für Leute zusammen mixen, die gerade mal nur einen weiteren Trend mitsummen wollen, sind dagegen Business-Pop in seiner schnödesten Form.

Diskografie

diverse: Yellow Lounge
Universal Classics 2001
Aphex Twin: Drukqs
Warp/Zomba 2001
diverse: Clicks & Cuts I und II
Mille Plateaux/EFA, 2000 und 2001
Oval: Ovalprocess und Ovalcommers Form&Function/Zomba 2000 und 2001
Markus Schmickler: Param (a-Musik)
diverse: Bip-Hop Generation v.3
Bip-Hop/ Hausmusik 2001
Lamé Gold: Lamé Gold
Oayola/ Hausmusik 2001

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