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Fundstücke abseits der Mainstreams

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Neue Musik auf neuen CDs, vorgestellt von Max Nyffeler
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Musik von und mit: Ensemble XII, Sjur Miljeteig, Peter Michael Hamel, Thomas Gundermann, Figura Ensemble und dem Alphornquartett Hornroh

„Fritz Hauser is a drummer“, heißt es im Begleittext der CD „Pieces For Percussion“ mit gespieltem Understatement. Und was für einer! In den Aufnahmen mit dem von Steven Schick geleiteten Ensemble XII erweist er sich als praktischer Musiker von hoher kompositorischer Intelligenz. Seine Kompositionen sind messerscharf modellierte Klangskulpturen, glänzend imaginierte Geschichten, klingende Momentaufnahmen aus fantastischen Welten. Ob rhythmisches Detail, selektiver Gebrauch der Farben oder Gestaltung der Zeitverläufe – alles verrät eine unerhört präzise Vorstellung des Komponisten-Interpreten vom real erklingenden Phänomen. Wahrnehmungskunst vom Feinsten, verbunden mit Lust am Spiel. Und das weckt die Lust am Hören. (hat[now]-ART 191)

Was in der elektronischen Musik bei den E-Komponisten immer ein bisschen laborhaft und steril klingt, nimmt beim norwegischen Jazztrompeter Sjur Miljeteig (CD: „It‘s Funny How Things Happen At Particular Times“) lebendige Kontur und Farbe an. Geräuschprozesse verbinden sich mit Instrumentalklängen zu schillernden Klangwirkungen, farbige Schlagzeugrhythmen bilden die Grundlage zum rauhen Unisono, Naturbilder verschmelzen im Nebel verwischter Bläserfiguren. Manchmal lädt die Elektronik auch ein wenig penetrant zum Eintauchen ins digitalen Nirwana ein. Doch zeigt sich hier wieder einmal, wie die Technik in den Händen einfallsreicher Musiker zu spannenden Hörerlebnissen führen kann. (Trust Me Records TMR 041)

Dass die Orgel bei aller mechanischen Komplexität eigentlich auch nur ein Blasinstrument ist, wird einem wieder einmal bewusst beim Hören der halb improvisierten, halb komponierten Stücke für Orgel und Dudelsack, die Peter Michael Hamel und Thomas Gundermann zusammen aufgenommen haben (CD: „Coincidence“). Der näselnde Ton, die Mikrointervallik und die weit ausholenden Melodielinien der „Sackpfeifen“ verbinden sich erstaunlich gut mit dem Klang der temperierten Orgel, was nicht zuletzt mit deren subtiler Registrierung zu tun hat. Auf die Anklänge an indische und mediterrane Musizierpraxis bei Gundermann reagiert Hamel mit farbig bewegten harmonischen Mustern und feinstem Liniengespinst. Ein inspiriertes Dialogisieren mit prallsinnlichen Klängen. (Schneeball Records 985162)

Das schweizerische Alphornquartett Hornroh tritt zwar auch in etablierten Neue-Musik-Veranstaltungen auf, doch sein Haupttätigkeitsfeld eine Art von neuer Musik, die außerhalb aller Konventionen steht. Mit den trompetenartigen, auf der Obertonreihe basierenden Instrumenten erzeugen die vier Musiker faszinierende harmonische Wirkungen und Melodiegestalten; manches hat ritualhafte Qualität. Erweitert wird das Ausdrucksspektrum durch die Einbeziehung verwandter Blasinstrumente wie Büchel, Kuhhorn und das selbst entwickelte „Alpofon“. Die kurzen, sehr unterschiedlichen Stücke entwerfen das Grundvokabular einer noch zu erforschenden Musiksprache im Spannungsfeld von Quasi-Naturklang und Experiment. (Phonag Records 044239BRG)

Das dänische Figura Ensemble hat eine ungewöhnliche Zusammensetzung: Mezzosopran, drei Instrumentalisten, ein Komponist, ein Dichter, ein Architekt. Auf erfrischende Weise abseits des Mainstreams bewegen sich auch seine Programme. Zusammen mit den vier Musikern der Seattle Chamber Players hat es nun Werke dreier hierzulande wenig bekannter nordischer Komponisten aufgenommen. Die „Preludes to Disaster“ des Dänen Peter Bruun sind eine ebenso eigenwillige wie musikalisch eindrucksvolle Huldigung an Don Quijote. Sein Landsmann Anders Brødsgaard steuert mit „10 Galgenlieder“ zehn scharf charakterisierte Miniaturen nach Morgenstern bei, und vom Deutsch-Isländer Steingrímur Rohloff stammen fünf dramatische Szenen nach Texten des dänischen Dichters Peter Laugesen. Helene Gjerris erweist sich als Mezzosopranistin von Format. (Neos 11401)  ¢

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