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Pete Yorn, kein Geheimtip.
Pete Yorn, kein Geheimtip.
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Geheimtipps, Ecken und Kanten

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, vorgestellt von Sven Ferchow
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Neue Platten von Pete Yorn, AnnenMayKantereit, 3 Doors Down und Ed Sheeran.

Die drei Kölner Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit sind AnnenMayKantereit. Komplettiert von Malte Huck, der jetzt namentlich das Trio schon irgendwie gesprengt hätte. Die EP „Wird Schon Irgendwie Gehen“ sorgte 2015 doch für kleines Aufsehen, bisweilen Aufregung. Vor allem Sänger Henning Mays Stimme, die man ja eher einem sechzigjährigen Seebären zuordnen wollte, schaffte es in die Herzen vieler Hörer. Insbesondere als sich das rührselige Stück „Oft gefragt“, in der weihnachtlichen Radiodauerberieselung zum heimlichen „Stille Nacht“ rotierte. Nun gibt es also eine LP „Alles Nix Konkretes“ und damit ein paar Songs mehr. Die sind dann aber bei so ziemlich allen Kritikern und in vielen Foren rüde durchgewunken worden. Kein Charme, Verlust der Kanten, zu viel in studentischem Eierlikör-Eskapaden entstandenes Textgeplänkel. Okay. Mag alles sein. Aber so ist das nun mal, wenn es rausgeht. In die kalte Popwelt. Es gilt, sich neue Kanten, Ecken und Furchen einzufräsen. Erfahrungen zu sammeln. Zu lernen. Und durchzuhalten. Talent, Können und Potenzial sind da. Und so durchschnittlich sind die Songs auch wieder nicht. „Pocahontas“ oder „Bitte bleib“ sind doch ganz großartige Nummern, die man ja nicht immer unter die Interpretationslupe legen muss. Einfach mal hören. Und die Burschen mal machen lassen. (Universal)

Ist Pete Yorn noch ein Geheimtipp? 15 Jahre nach seinem ersten Album „musicforthemorningafter“. Und: Wer kennt Pete Yorn denn überhaupt? Prinzipiell wird er, der bereits mit R.E.M- Gitarrist Peter Buck oder Foo Fighters-Frontmann Dave Grohl arbeitete, als einer der prägnantesten Songwriter der letzten Jahre bezeichnet. Warum, lässt sich auf „Arranging Time“, dem aktuellen Album, nachhören. Lakonisches Songwriting, begleitet von geiziger, oft elektronischer Begleitung, bildet das Grundgerüst. Diskrete, nicht zu zuckrige Gesangslinien, die sehr geerdet das Leben einordnen und beschreiben. Der Verzicht auf hymnische Refrains, stattdessen klug eingesetzte Gitarren verdichten die skelettösen Songs unverkrampft. Verwunderlich ist nicht, dass auf „Arranging Time“ jegliche amerikanische Grundmusikrichtung dezent zum Anklang kommt. Folk, Country, Blues, Rock, Americana. Pete Yorn schafft somit einerseits ein künstlerisches Werk, das tatsächlich Einfluss versprüht, wegweisend sein kann, aber andererseits ein Album, das jeder gerne hören muss, aber beileibe nicht radiotauglich ist. Kommerzielle Kunst, bodenständig präsentieren. Toller Musiker. (Universal)

Schwierig war das schon immer mit 3 Doors Down, der Rockband „light“ aus Mississippi, deren Verkaufszahlen und Auszeichnungen jeden Kritiker Lügen strafen. Aber, besser ist es auch mit dem neuen Album „Us And The Night“ nicht geworden. Laue Gitarrenlüftchen, die mit jedem Album schwächer werden, dominierende Keyboardsounds, die zwar den Radioprogrammdirektoren Achselschweiß verpassen, aber den Rockfan langweilen. Schon der Eröffnungssong „The Broken“ wälzt sich in gruseliger Allgemeinsülze und vermiest einem jede Lust, mehr Songs zu hören. Die selbst bei freundlichster Begutachtung und Respekt vor Kreativschaffenden die Frage auslösen: warum? Jungs, wenn man als Hörer nicht mehr unterscheiden kann, ob die Gitarren aus dem Sampler kommen oder echt sind, dann sollte man sich Gedanken machen. Echt jetzt. (Spinefarm)

Ed Sheeran ist ausnahmsweise nicht Besprechungsgrund der folgenden Platte. Aber sein Schützling Jamie Lawson, den Sheeran im hauseigenen Label „Gingerbread Man Records“ unter Vertrag nahm. Lawsons selbst betiteltes Album schlägt natürlich wie Sheerans musikalische Ausrichtung gen Songwritertum. Zunächst hat man große und berechtigte Angst, dass Lawson eine Art „neuer James Blunt“ ist, denn manche Songs sind oberflächlich gehört schon arg in Schwulst und Pomp gemeißelt. Doch Lawson stellt sich dann doch als ehrliche Haut heraus. Unter der Produktionspatina entdeckt man doch schöne Songs (Cold in Ohio, All is Beauty), die so gar nicht an Jamie Lawsons Erfolgssingle „Wasn’t Expecting That“ anknüpfen, sondern Potenzial für eigenes Kopfkino haben. Und erst wenn Songs und Melodien das schaffen und können, darf man von Songwriting, teils sogar sehr gutem sprechen. (Warner) 

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