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Individualismen und kleine Leerstellen: 30 Jahre EZM. Foto: Barbara Frommann
Individualismen und kleine Leerstellen: 30 Jahre EZM. Foto: Barbara Frommann
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Gesucht wird: Raum für Selbstdarsteller

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Mit einem Symposium und einem Konzert wurden in Köln 30 Jahre „Edition Zeitgenössische Musik“ gefeiert
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Eine Institution ist etwas, das Dauerhaftigkeit gewährleisten soll. Was aber passiert, wenn sich mit der Zeit die Rahmenbedingungen ändern, auf die eine Institution einmal ausgerichtet worden war? Bei dem kleinen Festival, das der Deutsche Musikrat zum Jubiläum seiner renommierten CD-Reihe im Kölner Haus des Deutschlandfunks organisiert hatte, wurde trotz Feierlaune kein Bogen um diese Frage gemacht. Die Diskussionen auf dem Podium und der Konzertabend ließen erahnen, was im Feld der Neuen Musik seit den achtziger Jahren in Bewegung gekommen ist.

Von einer „Visitenkarte“ war an diesem Tag immer wieder die Rede. Gemeint war damit in der Regel kein kleines Stück Karton, sondern die Rolle, die eine hochwertig produzierte eigene CD in der bei WERGO erscheinenden „Edition Zeitgenössische Musik“ (EZM) für junge Komponisten – und vermehrt auch Komponis-tinnen – spielen kann. Zumindest das scheint auch 30 Jahre nach der Produktion der ersten CDs der Reihe im Jahr 1986 immer noch zu funktionieren, wenn sich auch insgesamt der Stellenwert von Tonträgern massiv gewandelt hat. Kaum weniger als in der Popmusik haben sich via Internet längst andere Ökonomien der Aufmerksamkeit etab-liert, die strategisch und weitgehend unabhängig von Institutionen genutzt werden können.

In der EZM sind mittlerweile rund 100 Porträt-CDs erschienen. Für heute etablierte Komponisten wie Matthias Pintscher oder Isabel Mundry war sie zweifellos ein wichtiges Sprungbrett. Da fördern hier aber auch selektieren heißt, nimmt die EZM gleichwohl die Rolle eines Gatekeepers ein, der wie vergleichbare Stellen immer in dem Verdacht steht, es abweichenden Ideen und der „Avantgarde innerhalb der Avantgarde“ schwerer zu machen als nötig. Als Vertreter des Projektbeirates der EZM, der über Neuaufnahmen in die Reihe entscheidet, versuchte der Musikwissenschaftler Ulrich Mosch, solche Vorbehalte zu Beginn des Symposiums zu relativieren: Die Auswahl werde nicht durch eine „ästhetische Brille“ gelenkt, mittels derer bestimmte Positionen von vornherein ausgesiebt werden könnten. Komponistinnen und Komponisten dürften sich zudem selbst um einen Platz in der Edition bewerben, „Menge und Qualität“ der Einsendungen seien beeindruckend.

In einem ersten Panel wurde diese Einschätzung durch Achim Heidenreich von der Musikhochschule Karlsruhe bestätigt. Aus seiner Sicht zeigt der Kanon der EZM-CDs „mehr Individualismen als die gängige Musikgeschichtsschreibung das tut“. Dennoch gebe es Leerstellen in der Edition, wie Rainer Nonnenmann feststellte, in Richtung Musiktheater und darüber hinaus: „Intermediales Arbeiten ist nicht präsent.“ Als Gegenbeispiel erwähnte Nonnenmann selbst aber auch den Komponisten Stefan Winkler, der seine CD in der EZM bereits 2005 wie ein Konzeptalbum durchkonzipiert hatte und mittels zusätzlicher DVD erstmals auch Visuelles integrieren konnte. Etwa ab diesem Zeitpunkt erkennt der Musikjournalist Dirk Wieschollek in der Tat einen Generationswechsel in der zeitgenössischen Musik. Die Jüngeren hätten oftmals eine „Allergie gegenüber Stereotypen eines progressiven Instrumentalklanges“, sie arbeiteten außerdem, wie allen voran Johannes Kreidler, im besten Sinne als „umfassende Selbstdarsteller“, deren künstlerisches Tun eine CD allein dann doch kaum mehr abbilden könne.

Ein zweites Panel, in dem unter anderem die Komponistin Charlotte Seither und Rolf W. Stoll vom Verlagshaus Schott zu Wort kamen, kreiste um persönliche Erfahrungen der Akteure, sodass die eigentlich im Mittelpunkt stehende Frage nach Strukturen – wer, wie, wo und unter welchen Umständen reüssieren kann – und eventueller Reformbedarf auf diesem Gebiet kaum in den Blick kamen. Bereichert wurde das Bild des Nachmittags noch durch Schülerinnen und Schüler der Europaschule Kerpen, die im Rahmen des Projektes „Abenteuer Neue Musik“ den EZM-Komponisten Luís Antunes Pena getroffen hatten. Ihr Musiklehrer Ralph Paland berichtete von produktiven Grundsatzdiskussionen über verschiedene Musikbegriffe und einen fachübergreifenden Lernprozess, der auch das Bauen von Piezo-Mikrofonen im Physikraum der Schule mit einschloss.

Das abschließende Konzert im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks stellte eine Fülle kürzerer Werke vor, die in den vergangenen Jahren für EZM-CDs eingespielt worden sind. Neben Luís Antunes Pena mit dem Klangmassen auftürmenden Werk „K-U-L-T!“ für Klavier und Live-Elektronik war hier Musik von Milica Djordjevic, Marina Khorkova, Steffen Krebber und Simon Steen-Andersen vertreten. Die „Study for String Instruments #1“ des Letzteren baut auf einem extrem kurzen, musikalisch vermeintlich uninteressanten instrumentalen Sample auf. Steen-Andersen bricht aus ihm jedoch in einem Prozess, der die variabel gehaltene Streicherbesetzung in eine markante Choreografie einspannt, unerwartete strukturelle Facetten heraus.

Auch im Programm war Jagoda Szmytkas „f* for music“ für E-Gitarre und verstärktes Cello. Das Stück wurde von dem Duo leise dröhnung interpretiert, dessen Name nicht schlecht auch als Beschreibung dieses Werkes taugt. Für die neuere Entwicklung der Komponistin, die sich in eine an Lady Gaga erinnernde Kunstfigur verwandelt hat und Ansätze wie „social composing“ stark macht, ist es aber nur noch bedingt repräsentativ.

Große Zustimmung gab es zuletzt für Vito Žurajs „Top Spin“, gespielt von Mitgliedern des Ensemble Modern. Aus wenig Material ist das Stück klug konstruiert, das klangliche Resultat erinnert stark an indonesische Gamelan-Orchester. Der Titel bezieht sich auf die Anordnung der Interpreten um einen runden „Spieltisch“, an dem gelegentlich die Positionen getauscht werden, bis die Dramaturgie des Stücks am Ende effektvoll ins Leere läuft. In einem Live-Video war all das parallel aus der Vogelperspektive zu sehen, eine Idee, die von einer für die EZM entstandenen DVD-Produktion von „Top Spin“ abgeleitet worden war. Es heißt, Žuraj überlege jetzt, diese Präsentationsform in das Werk selbst zu integrieren. Vielleicht ist es eine überraschende Wendung, dass ausgerechnet der physische Datenträger hier Wegbereiter einer Erweiterung der Ausdrucksmittel war.

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