Herausragend spektakuläre Gitarreros im Jazz gibt es zurzeit nicht, zumindest sind sie nicht öffentlich im Rampenlicht. Statt Experimenten werden individuelle Fortschreibungen etablierter Stilrichtungen und konventioneller Sounds bevorzugt.
En vogue und sehr prägnant beim Daniel Stelter Quartett mit Klavier/Rhodes, Bass und Schlagzeug, in dem aus seinem kernig artikulierten E-Gitarrenklang variable Riffs und Shuffles entstehen, sodass jeder Song ein „Little Planet“ wird. Femininer Gesang von Fola Dada und ein Growl-Trompetenkommentar von Sebastian Studnitzky zum Swing der halb-akustisch schwebenden „Ballons“ geben diesen Songs durchaus sympathische Nähe zu Popqualitäten. (Herzog)
Was nicht für das „Sugar“-Album von Philipp Stauder gilt (der Titel ist irritierend), denn da ist Cool Jazz und Hardbop Trumpf. Allerdings ist er ein erdiger Stilist, webt feine Akkordmuster im Hintergrund zu Sax-Exkursionen von Till Martin für polyphone Interaktionen oder, um der Bass-Stimme von Henning Sieverts das Ambiente für ein Chanson zu bereiten, von Bastian Jütte mit leger perkussiven Akzenten begleitet. (GLM)
Seine Revision progressiver Tendenzen stellt Pete McCann als „Range“ vor, indem er etwa dem verstorbenen Trompeter „Kenny“ (Wheeler) mit elastischem Jazzrock gedenkt: Eine Bogendramaturgie leitet zu Solopassagen seiner Hall-verstärkten Gitarre, expressivem Sax von John O’Gallagher und pianistischem Kommentar von Henry Hey, dessen Rahmen ein Unisono-Thema ist. Das agil pulsierende Quintett streckt weiterhin Fühler zur kühlen Melodik von Lee Konitz aus, erklimmt die Route „To The Mountains“ über kristalline Akkordfolgen und versucht „Numinous“-Abstraktionen zu deuten. (Whirlwind)
Zwischen solchen abstrakten freirhythmischen Kollektiv-Improvisationen und Grooves manövriert Johannes Haage die Pendel-„Drift“ in seinem merkwürdig diskreten Gitarrenstil als Triolog mit Schlagzeuger Joe Smith und Bassist Matthias Pichler. Letztgenannter führt oft melodische Motive über die filigrane Gitarrenstrukturen und -arpeggien und wird dabei von subtilen Drumfigurationen unterstützt. (Shoebill)
Auf dieser Linie befindet sich auch Altmeister Bill Frisell, wenn er empathisch (nicht sentimental) an bekannte Musik-Signets zu Filmen und TV-Serien wie „When You Wish Upon A Star“ erinnert. Nun hat Bill Frisell diesen Song aus der Disney-Produktion „Pinocchio“ nicht einfach übernommen, sondern präsentiert ihn als Ballade in subjektiv kargem Arrangement, wobei der Gesang von Petra Haden dominiert. Auch die anderen Zitate sind in ein kompaktes Ensemble-Interplay integriert, nur wenige Episoden heben Bill Frisell solistisch hervor, etwa im suggestiven Sog seiner „Tales From The Far Side“. Auf diese Weise werden die markanten Melodien aus „To Kill A Mockingbird“, „The Godfather“ oder „Moon River“ zu feinsten Jazz-Preziosen klanggeschliffen und weisen auf ungelöste Geheimnisse der Wechselwirkung von Musik und Cinematographie. (Okeh)