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Herzlichen Glückwunsch! Unser populärster Dichter wird 250 Jahre alt. Und zwar am 28.8.1999. Na? Wissen Sie, von wem hier die Rede ist? Genau, wir sprechen von „unserem“ Johann Wolfgang von Goethe. Und obwohl er unterdessen beinahe wirklich als Allgemeingut bezeichnet werden kann, erstaunt doch die Tatsache, daß – trotz allem Goethekult, der dieses Jahr über uns ausgeschüttet wird – ein Thema nur am Rande beachtet wird. Und zwar das Thema: Goethe und die Musik!
Sicherlich: In Weimar ist das ganze Jahr Party (zumal man ja auch noch Kulturhauptstadt ist); es finden unzählige Konzerte statt, doch seien wir mal ehrlich, die meisten dieser Veranstaltungen haben nichts mit Goethe zu tun. Oder sie verstecken sich hinter pseudogoethischen Etiketten. Zum Beispiel der „Westöstliche Divan Workshop“ von Daniel Barenboim. Hinter diesem bedeutungsschwangeren Titel verbirgt sich letztlich nichts anderes als eine multikulturelle Gruppe von Musikern, die vermutlich keine Goethevertonungen einüben werden. Wenigstens gibt sich Barenboim nicht ganz die Blöße und dirigiert in einem späteren Gastspiel Liszts „Faust Sinfonie“!
Nun zu den Einspielungen. Die CD- Industrie produziert jährlich ca. 219 Millionen neue CDs und MCs allein in Deutschland mit einem Gesamtumsatz von zirka 5 Milliarden Mark. Dennoch hatte man bei einem so übersichtlichen Budget nur sehr wenig übrig für ein veraltetes Thema wie „Goethe und die Musik“.
Der optisch und musikalisch interessanteste und abwechslungsreichste Tonträger ist eine limitierte Edition aus Büchlein und 2 CDs mit dem Titel „Johann Wolfgang von Goethe“, der bei Sony erschienen ist. Die erste CD beschäftigt sich mit dem Thema „Was hörte Goethe?“, und die zweite Musikauswahl dieser Edition ist sehr gut getroffen und wird in den zwar sehr knapp gehaltenen, aber sorgfältig recherchierten Booklettexten erläutert bzw. eingeführt. Rein optisch bietet diese Ausgabe einen Augenschmaus: eine Art geschmackvolles Buch mit goldfarbener Goetheunterschrift und eingeprägtem Goethebildnis. Man wählte eines der bekanntesten Goethe-Portraits, nämlich das von Josef Stielers, als Vorlage; vermutlich um so die breite Masse für dieses doch bizarre Thema besser erreichen zu können. Nur ein kleiner Schönheitsfehler haftet an dieser Edition: Im Einführungstext wird Goethes intensive Freundschaft mit Carl Friedrich Zelter betont, um Goethes Liebe zur Musik zu manifestieren. Schade nur, daß man dann nicht wenigstens eine klitzekleine – der wirklich zahlreichen – Zeltervertonungen von Goethes Gedichten als Beispiel auf die CDs genommen hat. Denn es ist unbestritten, daß er diese verehrte und liebte.
Von der Auswahl am ähnlichsten, jedoch viel umfangreicher (5 CDs) und progressiver ist die bei Naxos erschienene CD-Box „Goethe Superstar“ in der sich Lutz Görner diesem Thema stellt. Gedichte, Lieder oder Lebenssituationen des Dichters werden von Görner in einer bunt modernen Weise vorgetragen und eingeführt, die nur selten klassische Vorbilder erahnen läßt. Ziel scheint es vielmehr zu sein, den aktuell bestehenden Zeitgeist zu treffen, um so auch jungen Menschen den Einstieg in dieses Thema schmackhaft zu machen. Und dies alles zu einem „very nice Preis“ von 29,90 DM, wie man auf der CD noch bestätigt bekommt.
Alle weiteren mir bekannten Tonträger zu „Goethe und die Musik“ sind wesentlich spezieller und bieten daher nicht unbedingt einen guten Einstieg in diese Thematik, sondern erfreuen vermutlich eher Spezialisten. Es wurde schon Carl Friedrich Zelter erwähnt; bei dem Label „Orfeo“ aus München gibt es bereits seit längerem eine Zelter-CD mit ausgewählten Liedern; darauf finden Sie Highlights wie „Über allen Wipfeln“, „Wand’rers Nachtlied“ oder „Rastlose Liebe“. Der Bariton Dietrich Fischer-Dieskau toniert diese Lieder mit der ihm typischen Gesangsstimme. Übrigens, wer Lust bekommen sollte, kann sogar in deutsch, englisch oder französisch mitsingen, denn die Liedertexte sind abgedruckt. Neben den Goethevertonungen werden jedoch auch vereinzelt andere Größen bedacht (Schiller, Schlegel und Matthison).
Ars Musici und der MDR haben einen Geschenkschuber mit 2 CDs und dickem Sonderheft (150 S.) zum Thema Goethelieder bei Zelter und Schubert herausgegeben. Der Tenor Hans Jörg Hammel wird auf Goethes Hammerflügel in Weimar von Ludwig Holtmeier begleitet. Die nachempfundene Atmosphäre aus der Goethezeit läßt den Zuhörer zu Hause an der Konzertstimmung teilnehmen, wie sie der Dichter damals in seinem Haus genossen haben muß. Also, tauchen Sie doch auch einfach ein in die Liederabendstimmung am Frauenplan!
Auch Thomas Quasthoff singt zu Goethes 250. Geburtstag Schubertvertonungen. BMG bringt eine Auswahl von 13 Liedern (eine Zahl übrigens, die der „leicht“ abergläubische Dichter stets gemieden hat). Auch hier absolute Highlights wie die Gesänge des Harfners aus „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, den „Erlkönig“, „Prometheus“ oder „Ganymed“. Das Booklet ist ebenfalls mehrsprachig, jedoch etwas dürftig was den Infogehalt zu den gebotenen Liedern angeht.
Man kann allerdings wieder alles mitsingen, ein Service, den übrigens auch Ars Musici bietet. Allerdings drängt sich die Frage auf, ob man diese Leistung vielleicht auch bietet, um die gebotenen Intonierungen der Künstler verständlicher zu machen. Warum gibt es eigentlich keinen berühmten Sänger der E-Musik, der ohne Colorationen einfach schlicht und klar seinen Text singt?
Mehr als jede andere Plattenfirma hat die Deutsche Grammophon zum Thema „Johann Wolfgang von Goethe“ zu bieten. Rund 40 CDs beschäftigen sich alleine mit Goethes Leben und Werk. Wer auf der Suche nach Sinfonien oder Liedern über Goethes Werke ist, der wird ebenfalls bei der Polygram die größte Auswahl finden. Auf eine spezielle CD mit dem Titel „Goethe und die Musik“ hat man deshalb vermutlich verzichtet.
Zu guter Letzt möchte ich diese bunte Reise durch Goethes Musikwelt mit dem Hinweis auf eine CD mit dem Titel „Rosebud red“ (Röslein rot) beenden. Diese bei SPV erschienene Doppel-CD ist ein absolutes Muß für alle, die hip sein wollen! Denn die bekanntesten deutschen Bands haben sich hier Gedanken zu Goethe und Nietzsche gemacht. Man ist erstaunt, auf welche Art und Weise man zum Beispiel den „Zauberlehrling“ oder „Erlkönig“ interpretieren kann! Vor allem jedoch überrascht, wie zeitgemäß Goethetexte auch heute noch sind! Dafür bürgen Bands wie Blind Passengers, die Puhdys, die Prinzen, Grooveminister, Bürger Lars Dietrich und viele mehr.
Da das Goethe Geburtsjahr noch nicht zu Ende ist, können wir bestimmt mit weiteren Neuerscheinungen rechnen.