„The Vienna Connection“. Sonaten für Violine und Klavier von Hans Gál (op. 17), Egon Kornauth (op. 15) und Ernst Krenek (Nr. 1 op. 3); David Frühwirth (Vl) & Florian Uhlig (Pf); Edition Abseits CD EDA 32 (Vertrieb: Klassik Center)
David Frühwirth und Florian Uhlig, ohnehin zwei unentwegte Erkunder wertvollen unbekannten Repertoires, machen gemeinsame Sache: Das verspricht spannende Entdeckungen, und der Hörer wird nicht nur mit vergessenen Größen bekannt gemacht, sondern erfährt dank des sehr intelligenten, achtsamen Zusammenspiels auf exzellentem instrumentalen und feinem strukturellen Niveau sehr eindrücklich den individuellen Ton jedes einzelnen Komponisten. Frühwirth ist ein durch und durch musikalischer, feinnervig phrasierender Gestalter von großer Natürlichkeit und warmer Tongebung. Und Uhlig, der uns vor Jahren (bei Dutton) die großen Klavierwerke von Bernard Stevens zur Kenntnis gebracht hat, entspricht gar nicht dem Bild eines gängigen Begleiters: Er ist ein ausgeprägter Individualist, der sich gleichberechtigt in den Dienst gemeinsamen Ausdrucks stellt. In der ersten Folge der von der Berliner Edition Abseits beabsichtigten „Connections“-Serie, die dem verborgenen Reichtum großer Musikstädte huldigt, dreht sich alles um Wien, um die walzernde Donaumetropole in Zeiten des Umbruchs.
Hans Gál (1890–1987), vor dem Dritten Reich Direktor der Mainzer Musikhochschule und als Komponist sehr erfolgreich, war nach dem Krieg in England mehr noch als sein Landsmann Egon Wellesz ein zeitloser Außenseiter, schöpferisch kaum wahrgenommen. Erst in den letzten Jahren fängt man an, sich für ihn zu interessieren. Die Violinsonate stammt von 1920 und nimmt manches vorweg, was in seiner 1923 unter George Szell herausgekommenen Erfolgsoper „Die glückliche Henne“ zu ausführlicherer Aussprache kommen sollte. Das Werk hat in seiner seriösen Eleganz und fast abgeklärt mühelosen Meisterschaft eine interessante Position zwischen den Stilwelten – es klingt gerade so, als sei Johannes Brahms in leichterem Gewande wiedergekehrt und habe sich in wohlklingend bedächtiger Manier die jüngsten Errungenschaften der chromatischen Moderne dienstbar gemacht. Es ist ein dankbares Stück, in den romantisch durchtränkten Ecksätzen architektonisch weit gespannt und dabei sehr frei geschrieben, im Allegretto-Mittelsatz die launigen Wechselfälle nächtlichen Scherzando-Spuks fantasiereich in Szene setzend.
Egon Kornauth (1891–1959) war prinzipiell ein konservativeres Naturell. Schüler der Handwerksmeister Robert Fuchs, Franz Schreker und Franz Schmidt, schrieb er vor allem Kammermusik im nachromantisch verklärenden Gestus, die sich nicht um den Lauf der Welt scherte. Seine 1917 veröffentlichte Violinsonate spiegelt das heimelige Wiener Milieu, geschmackvoll und bejahend, zugleich nostalgisch beredt und mit einem kräftigen Schuss jungem, kapriziös optimistisch gestimmten Richard Strauss angereichert, wenngleich in wohldomestizierter Form. Die Kürze des Werks ist stimmig.
Ganz anders der gerade mal zwanzigjährige Ernst Krenek in seiner ambitionierten Fis-moll-Sonate, wo zwei ausladende erste Sätze von zwei knapper komprimierten gefolgt werden: Diese Sonate ist, auch wenn Krenek stets mehr hochflexibel als unverkennbar war, der ultimative Geniebeweis eines stürmischen jungen Mannes, der bald darauf so gigantische, expressionistisch dissonante Meisterwerke wie seine zwei ersten Symphonien schreiben sollte.
Hier herrscht noch die tonal gebundene, chromatisch schillernd ausgereizte Emphase übersteigerter Nachromantik, der Ausdruck glühenden Begehrens, technisch mit immenser Virtuosität und einer unerschöpflich scheinenden Palette der Erfindung umgesetzt. Mitreißende Ecksätze mit einprägsamer Motivik, ein Adagio, das auf unbetretenen Pfaden nachtwandelt, und ein Scherzo mit Biss – Krenek hat unglaublich vielversprechend begonnen, und hätte er sich später eigenständig weiterentwickelt, anstatt von allem etwas kosten zu wollen, so wäre er einer der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts gewesen.