Um 1948 ging der bislang meist hotte Jazz in sich, wurde leiser, raffinierter, introvertierter - eben cooler. Die Ära des Cool Jazz dauerte bis Mitte der 50er Jahre, doch am Ende des Jahrzehntes machten seine saxophonistischen Hauptvertreter einige ihrer schönsten Alben.
Jeder von ihnen trat auf seine Weise die Nachfolge von Lester Young an; der Prototyp des coolen Musikers spielte mit verhaltener, vibratoarmer Tonbildung und relaxtem Swing. Die folgenden Saxophonisten erbringen auch den Beweis, dass die Gleichsetzung von Cool Sound mit kalter Musik nur ein Vorurteil ist. Wer das warme Spiel dieser Saxophonisten vernimmt, sucht vergeblich nach Anzeichen von „Kühle“ im Sinne von „Emotionslosigkeit“, wohl findet er aber eine gewisse Zurückhaltung, Beherrschtheit ohne Härte, Noblesse. Die Emotionen werden dabei keineswegs unterdrückt, sondern sie äußern sich nur diskreter.
Als „primus inter pares“ der modernen Lester-Young-Schule gilt Stan Getz. Verglichen mit Young war der Stil von Getz überschwänglicher, reicher an Verzierungen, klanglich verführerischer. Er kommt sehr gut zur Geltung in „At Large“. In Kopenhagen wo der drogengetriebene Getz einige Jahre wohnte und hörbar etwas zur Ruhe kam, entstanden diese Aufnahmen mit Skandinaviern (darunter dem bekannten Pianisten Jan Johansson) die mit einfühlsamem Understatement assistierten. Insbesondere werden einige Balladen von Getz entspannt, sehr inspiriert und mit seinem legendären nuancenreichen Wohllaut in sanft leuchtende Edelsteine verwandelt. Diese Aufnahmen gehören mit zum Besten seiner europäischen Jahre und wurden in einem Doppelsilberling um seltene Stockholmer Mitschnitte ergänzt. Darunter ist eine Live-Version von „Ack värmeland du sköna“, das schwedische Volkslied, dass durch Getz ein Jazzstandard wurde. (American Jazz Classics)
Wie irritierend klingt auf den ersten Stücken der CD „Getz Meets Mulligan in Hi-Fi“ das 1957er Spitzentreffen. Zwar hören wir ein Tenorsaxophon, doch es ist nicht Getz. Eher klingt es nach Al Cohn, der es aber auch nicht sein kann. Und das Baritonsaxophon wird hier gewiss nicht von Gerry Mulligan gespielt. Die Auflösung: Auf den ersten drei Stücken vertauschten die von Lou Levy (p), Ray Brown (b) und Stan Levey (d) erwartungsgemäß glänzend assistierten Spaßvögel ihre Instrumente, wobei Getz auf dem Bariton überzeugender ist als Mulligan auf dem Tenor. Das sind die Stücke, auf denen man am gespanntesten zuhört, obgleich sie erst auf ihren eigenen Instrumenten ihre Stärken voll entfalten, übrigens vor allem auf jenen, die auf der Original-LP noch fehlen. Im Übrigen bilden der größte Baritonsaxophonist und der bekannteste Tenorsaxophonist des Cool Jazz ein ungleiches Paar. (Der begegnungsfreudige Mulligan wurde damals im Studio mit allerlei Saxophonisten kombiniert; vor allem die Paarungen mit Paul Desmond und Ben Webster sind Meilensteine). (Essential Jazz Classics)
Es scheint, dass Musiker in jenen Tagen keine große Scheu davor hatten, Aufnahmen auf Instrumenten vorzulegen, die sie sonst kaum spielten. So greift Lee Konitz, der einflussreichste Altsaxophonist des Cool Jazz, zum Tenorsaxophon auf einigen Stücken der Doppel-CD „The Complete 1956 Quartets“. Sie vereint die LPs „Worthwile Konitz“ und „Inside Hi-Fi“; das Album „The Real Lee Konitz“ von 1957 ist als willkommene Zugabe dabei. Konitzens Auffassung von Cool Jazz ist freilich eine viel strengere, apollinischere als die von Getz. Konitz hatte eher Youngs Essentialität geerbt und wie bei diesem berührt die absolute Aufrichtigkeit seines Spiels. Die Nähe zu seinem Idol fällt freilich auf dem Tenor noch mehr auf. Unter den großen Cool Jazz-Saxophonisten hatte Konitz den herbsten Sound. Seine Maßstäbe waren so hoch, so dass er bei den Pittsburgher Live-Aufnahmen, die „The Real Konitz“ bilden, die Stücke einfach ausblendete, um nur das Beste der Band zu präsentieren. Interessant ist, dass er auf der Doppel-CD mit Vertretern der New Yorker Cool-Schule, also des Lennie-Tristano-Kreises, zu hören ist, dem er selbst angehörte, darunter Billy Bauer (g) und Sal Mosca (p) als auch mit Musikern des West Coast Jazz wie Shelly Manne (d). (Essential Jazz Classics)