Neue Musik von Annesley Black, Wolfgang Rihm, Miro Dobrowolny, Bruno Maderna und Liza Lim.
Schon mehrfach hat sich Liza Lim, australische Komponistin chinesischer Abstammung, von der arabischen Sufi-Lyrik anregen lassen. Dem für die MusikFabrik Köln und den Bariton Omar Ebrahim geschriebenen, achtteiligen Zyklus „Tongue of the Invisible“ liegen Verse von Hafis zugrunde, dem geistigen Patenonkel von Goethes „West-östlichem Divan“. Die Texte inspirierten die Komponistin zu einer enorm vielgestaltigen, ausdrucksstarken Musik, in der sinnliche Üppigkeit und ekstatische Verinnerlichung verschmelzen. Der Offenheit der Dichtung entspricht die mit improvisatorischen Elementen angereicherte Partitur. (Wergo 6859 2)
In der von Neos betreuten Gesamtausgabe der Orchesterwerke von Bruno Maderna sind als Folge 5 nun zwei Konzerte für Violine und für Klavier erschienen. Der Komponist und Dirigent, der als Geiger ein Wunderkind war und in Darmstadt vor allem als selbstloser Interpret der Werke Anderer wirkte, zeigt sich in den 1959 und 1969 entstandenen Werken als hochsensibler Musiker. Bei aller formalen Komplexität hat der konkrete Klang stets Vorrang vor dürren Konzepten. Thomas Zehetmair und Markus Bellheim sind die kompetenten Interpreten in den Aufnahmen mit dem Radiosinfonieorchester Frankfurt unter Arturo Tamayo. (Neos 10937)
Fünf Werke für unterschiedliche Ensemblebesetzungen aus einem Zeitraum von fünfzehn Jahren sind auf der Porträt-CD „Skordaturen“ des in Zagreb geborenen, am Niederrhein lebenden Miro Dobrowolny zu hören. Es ist eine unruhig bewegte, aus den leisen Regionen nach außen drängende Musik, deren Bilderreichtum sich aus der Diversität alter europäischer Traditionen speist, nicht zuletzt aus der Mikrotonalität seiner mediterranen Heimat. Im ältesten Stück von 1996, der grellen und harten „Passacalle“, hallen noch die Erinnerungen an den Balkankrieg nach, im jüngsten Werk „Epilog“ produzieren die über zwanzig Musiker einen differenziert abgestuften, um einen Zentralton kreisenden Raumklang. (Kreuzberg Records kr 10113)
Eine Auftragsarbeit in vier Teilen hat Wolfgang Rihm unter dem Titel „Nähe fern“ für das Luzerner Sinfonieorchester verfasst. Zu den vier Sinfonien von Johannes Brahms schrieb er vier Kommentare, die zusammen nun selbst eine Sinfonie ergeben. Sie beziehen sich in freier Weise auf die jeweilige Vorlage, ohne sie je zu zitieren; ein- und umgeschmolzen in Rihms eigene Musiksprache sind freilich deutlich erkennbare motivische Gesten sowie Instrumentations- und Ausdruckstopoi des spätbürgerlichen Sinfonikers. Ein weiteres Beispiel für die Assimilierungsbereitschaft des Komponisten, der sich hier weit in die Welt der Tonalität zurücklehnt. (Harmonia Mundi HMC 902153)
Originelle klangliche Einfälle, auf spielerische Weise einmal patchworkartig nebeneinander gestellt, einmal auf assoziative Weise ineinanderfließend, sind ein Markenzeichen der Musik von Annesley Black. Die in Frankfurt lebende Kanadierin erzeugt ein unterhaltsames Klangtheater, in dem sich hinter jeder Wendung eine neue, überraschende Perspektive auftut. Ausgefallene Klangerzeuger und Spielweisen, elektronisch verarbeitete Geräusche und bizarre Instrumentaldialoge sorgen für verfremdende Komik. Der Tonfall ist zumeist verhalten, was zum genauen Hinhören auf die gestisch lebhaften Erzählungen einlädt. Auf einer beigelegten CD-ROM werden die kompositorischen Fantasien als kleine Computerspiele visualisiert; es erfordert aber einige Geduld, die Gadgets richtig zum Laufen zu bringen. (Wergo 6590 2)