Phonomanager, Plattenkünstler und Politiker sollten sich ebenfalls dringend einsperren lassen; schließlich möchte der Konsumenten-Mob weiter unterhalten werden. Versammlungsort: der ICE von Hamburg nach Berlin (unendlicher Zeitfaktor). Sich duellierende Entertainment-Kardinäle: Gracia Bauer mit Jeanette Biedermann, Herr Bohlen mit Franz Müntefering, Herr Gebhardt mit Napster-Gründer Shaun Finn und Nervjaulerin Yvonne Catterfeld mit Queens of the Stone Age.
Eines bleibt unverrückbar: Jede Woche beginnt am Montag. Zufälliger Weise gibt es seit vielen guten Jahren eine gleichnamige Band aus Hamburg: Mon)tag. Mit „Gefallen“ debütierten die Kameraden vor zwei Jahren, Bombast-Pop der smarten Art war ihre Selbstdefiniton. 2005 wird es forscher und erwartungsgemäß richtig richtig richtig gut. Intelligenter Pop, leicht Indie verschämt grinsend mit humorigen Anleihen der 70er, mit Zitaten der Scherben oder Steine, mit Austretern Richtung Hamburger Schule. „Sender“, das zweite Mon)tag Album, ist ein Prachtstück.
Aus dem Schwarzwald surft die Leopold Kraus Wellenkapelle an den Festland-Strand. Surf- und Beatmusik (zuweilen gesanglich unterlegt) charakterisieren das Hauptanliegen der Sunnyboys. Schräg darf das sein, aber auch streng „TexMex/Beat“ – katholisch. „15 Black Forest Surf Originals“ glänzt musikalisch durch elegische Hammond-Sounds und auf Verlangen mit Knack-Gitarren. Vom Schwarzwald zu einer Legende. Robert Plant ist mit Band „The Strange Sensation“ zurück. „Mighty ReArranger“ darf man als das globale Musikwerk der vergangenen sieben Jahre bezeichnen. Plant schafft es seine erworbenen Weltmusik-Einflüsse durchschaubar und stringent in Rockmusik zu transformieren. Die Riffs strahlen atomar, Plants Gesang stilisiert sich zum Giganten und dahinter werkelt eine Band, die einem ob ihrer Besessenheit und Brillanz die Tränen in die Augen treibt. Phantastisch.
Rob Thomas (Matchbox Twenty“- Frontmann, Sänger/Co-Autor von Santanas Riesenhit „Smooth“) beehrt das Volk mit seiner samtigen Lederstimme solistisch. „Something To Be“ zeigt sein Talent als Songwriter. Stil sicher findet er den Weg zwischen anspruchsvollem Pop (Rock, Soul, Blues, Funk), nicht peinlichen Radio- Refrains und der Gewissheit durch Stimme und Handschrift unverwechselbar zu sein. Alan McGee, Brite und Manager solcher Größen wie Oasis oder The Primal Sream, will es noch einmal wissen und gründet das Label „Poptones“. Auf der erscheinenden Kompilation „And The Cassette Played Poptones“ wirft McGee Bands wie „Special Needs, The Paddingtons, The Others oder Killcity“ ins Haifischbecken der Branche. Angenehm auffallend, dass sämtliche Bands keine Retro-Hysterie verbreiten und trotz Unbekanntheit den „The“-Bands das Wichtigste voraus zu haben scheinen: Understatement. Schöne Platte zum Übergang.
Bereits das dritte Soloalbum der „Nach-Pavement“-Ära stellt Stephen Malkmus vor. Wie ein Tritt in den Algenteppich vor Rimini erweist sich die Begegnung mit „Face The Truth“. Indie, Americana, Folk, Garage, Postrock, Prejazz und Pop in wahrer Form ziehen sich wie Glibber durch das Album. Zu entkommen fällt schwer, wenngleich viele Songs ihre Bitterkeit erst nach dem dritten Hören offenbaren. Seelisch unangenehmer wird Americana nie sein als bei Stephen Malkmus.
Nachdem die britische Fachpresse kollektiv am Defribillator hängt und die Kaiser Chiefs als „the next big thing“ führt, lohnt sich das Anspielen der EP „Oh my God“ schon aus Oppositionsgründen. Man wird bestätigt: Britische „The Clash“-Kamellen vermengen sich mit glamourösen „The Smiths“ Vokallinien, beides ersoffen in Retro-Sauce, die eben den Briten so schmeckt. Fish’n’Chips musikalisch. Auch gut, aber im Neuen Europa ohne Chancen.
Das dänische Trio Swan Lee erfreut außerordentlich. Hier werden Songs geschrieben, ein wenig an „Six Pence Non The Richer“ mahnend, doch mit weniger Popcharme. Dafür mit rockigen Ausrutschern, die stets vom Stigma der Reduktion (sparsame Instrumente, der Gesang hat seine Plätze, die Arrangements spannen Bögen) geschultert werden. Herrlich plätschernd und subtil. Maria McKee versorgte einst Tom Cruise in „Days of Thunder“ mit Musik zum prä-ehelichen Geplänkel mit Nicole Kidman. „Show Me Heaven“ sang sie und stand da, wo sie nie sein wollte. „Peddlin’ Dreams“, ihr sechstes Album, ist weit davon entfernt – Gott sei Dank. Melancholischen Indiefolk liebt Maria Mc- Kee, wärmend gespielt, hier eine Steelgitarre, da die Westernklampfe und stets ihre verwandlungsfähige Stimme als omnipräsente Begleiterin. Wohltuend.
French HipHop ist eine andere Sache. Manau versehen Rap/HipHop mit einem flexiblen Timbre: Sprachbedingt verhallen die Raps nicht im HipHop-Kauderwelsch, sondern werden weich gezeichnet, bekommen Linie und Fluss. Gescheites Rap- und Vier Sterne-Menü. Noch einmal geht es über den Kanal nach GB. The Futureheads werden hoch gehandelt; eigenständig seien sie. Ausnahmsweise trifft das zu. Humorvoll zitieren sie sich durch die besten Jahre des Britrock, Britpop und Britbeat. Tanzschuppen kompatibel gehalten, brechen The Futureheads bisweilen aus den gängigen Strukturen aus, konstruieren ihre Songs auch mal ohne Refrain und verweisen oft auf The Police, Shed Seven, Franz Ferdinand oder The Knack. Mehr als gefällig.
EPs pflastern den Weg der englischen Ruhe-Combo Belasco. Sie, die einst Ruhe zum höchsten Grundwert inthronisierten (Ausbrüche mit geschrammelten Gitarren garantiert), geben diesmal mehr Gas. Die Refrains hymnischer, die Stil prägenden Bassläufe extremer an Adam Clayton (U2) erinnernd und die Gesamtanlage der Songs optimistischer als gewohnt. Überraschend und im Ohr bleibend für britische Musik bei einem deutschen Label.
Diskografie
Mon)tag – Sender (Tapete Records, 17. Mai 2005)
Leopold Kraus Wellenkapelle – 15 Black Forest Surf Originals (Kamikaze Records, 9. Mai 2005)
Robert Plant – Mighty ReArranger (Sanctuary, 2. Mai 2005)
Rob Thomas – Something To Be (Warner, 16. Mai 2005)
V.A. – And The Cassette Played Poptones (Universal/Poptones, 2. Mai 2005)
Stephen Malkmus – Face The Truth (Domino, 23. Mai 2005)
Kaiser Chiefs – Oh my God-EP (B-Unique, 2. Mai 2005)
Swan Lee – Swan Lee (V2, 9. Mai 2005)
Maria McKee – Peddlin’ Dreams (Cooking Vinyl, 30. Mai 2005)
Manau – On Peut Tous Rêver (Polydor, 9. Mai 2005)
The Futureheads – The Futureheads (Warner, 30. Mai 2005)
Belasco – Something Between Us/EP (Supermusic, 9. Mai 2005)