Neue Aufnahmen mit Musik von Morton Subotnick, John Cage, Luigi Nono und Wolfgang Rihm
Die Musik von Wolfgang Rihm hat manchmal etwas chamäleonhaftes. Seine Komposition für acht Vokalsolisten „Quo me rapis“ erinnert beim ersten Hören unwillkürlich an Nonos Streichquartett: durch Pausen getrennte, extrem individualisierte Klangaggregate, meist sehr leise und sorgfältig durchgehört. Jedoch wird hier der Klang nicht denaturiert, was die Akkorde kompakter und weicher erscheinen lässt. Zwischen Nono-Mys-tizismus, Madrigalklang und lutherischer Strenge changieren dagegen die „Sieben Passions-Texte“, in Ausdruck und Satztechnik überraschend facettenreiche Werke. Rihms Nähe zu Luigi Nono wird auch editorisch demonstriert: Mit „¿Donde estas, hermano?“ und „Sarà dolce tacere“ enthält die CD zwei emblematische Werke des Italieners. Mit einer Klangkultur, die ihresgleichen sucht, arbeitet das Londoner Vokalensemble Exaudi die Verbindungen, aber auch das Trennende zwischen den beiden Komponisten heraus. (æon AECD 1441)
Und gleich noch einmal Luigi Nono: Die Edition RZ hat sich die verdienstvolle Mühe gemacht, einige der wichtigsten Werke aus Nonos Freiburger Zeit zusammenzutragen und auf einer Doppel-CD zu veröffentlichen. Beim Rundfunk in Wien, Frankfurt, Baden-Baden, Bremen und München wurden eingesammelt: Das große Orchester-Triptychon „A Carlo Scarpa“, „Caminantes ... Ayacucho“ und „No hay caminos, hay que caminar“, das noch immer explosive wirkende „Guai ai gelidi mostri“ und das Bläserstück „A Pierre“. Dass neben kompetenten Orchestern und Dirigenten auch das Experimentalstudio des SWR mit den profunden Nono-Kennern Hans Peter Haller und André Richard stets mit dabei ist, verleiht den Aufnahmen hohe Authentizität. Ergänzt wird die Auswahl durch die nicht minder interessante Aufnahme der Pavese-Gesänge „La terra e la compagna“ unter der Leitung von Hans Rosbaud aus dem Jahr 1961.
Die für die japanische Sho-Spielerin Mayumi Miyata geschriebene Number Piece „Two3“ von John Cage haben Stefan Hussong und Wu Wei für Akkordeon und die Mundorgel Sheng (die chinesische Version der Sho) aufgenommen. Die zehn Abschnitte dauern zusammen rund hundert Minuten, sechs davon werden auch zu zweit simultan gespielt. Die beiden Instrumente stehen sich klanglich erstaunlich nahe und verbinden sich zu einem Gesamtklang, der trotz seiner charakteristischen Glätte vielfarbig schimmert und leuchtet. Mit ihrer differenzierten Artikulation wirken die beiden Interpreten der Gefahr entgegen, dass sich die ruhig atmenden, von langen Pausen getrennten Klänge zur Ambient Music verdünnen. Der Charakter einer konzentrierten Musikmeditation wird durch den zeichenhaften Laut der Klangmuscheln unterstrichen. (Wergo 6758 2)
Morton Subotnick, 1961 einer der Gründer des San Francisco Tape Music Center, hat früh im Zwischenbereich von Live-Musik, Elektronik und Tanz experimentiert. Daraus gingen später seine „ghost scores“ hervor: mittels Stimme und Körperbewegungen erzeugte und auf Tonband festgehaltene elektronische Signale, die bei einer Aufführung nicht gehört werden, sondern nur als Steuerung zur elektronischen Transformation der live gespielten Instrumentalklänge dienen. Der Körper steuert die Elektronik und diese den Live-Klang. In Aufnahmen von 1980/81 sind nun einige dieser Stücke für Instrumente und „ghost electronics“ wieder zu hören. Es sind Klangprozesse, die sich jeder rationalen Festlegung entziehen und sich in ihrem Gestus der Improvisation annähern. Eine stark körperbetonte und damit lebensnahe Variante von Live-Elektronik. (Wergo 7311 2)