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Klang- und Hirnqualität

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Helmut Lachenmann: Musik für Streichquartett
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Helmut Lachenmann: Gran Torso/Music for String Quartet (1971/76/88), Grido/String Quartet No 3 (2001), Reigen seliger Geister/String Quartett No 2 (1989). stadler quartett (Frank Stadler, Izso Bajusz, Predrag Katanic, Peter Sigl). NEOS 10806, SUPER AUDIO CD

Zuweilen mag die Frage berechtigt sein, warum so manches aus der aktuellen Produktivität kompositorischen Denkens sich so magisch vom publikumsfernen Elfenbeinturm angezogen fühlt, um sich dort dann anzusiedeln.

Zuweilen auch stellt sich die Frage, warum es der „SuperEvent“ allein nicht tut, warum denn da noch ein „MegaEvent“ draufgesetzt werden muss. Doch es war gerade ein extra spektakulärer „Event“, der den Namen des „stadler quartetts“ auch in Sphären hineintransportierte, die sich sonst der Neuen Musik gegen­über skeptisch bis ablehnend verhalten: ein „Helikop­ter-Sreichquartett“, und das auch noch von Stockhausen bei den Salzburger Festspielen. So etwas passt bestens in die Society-Spalten internationaler Glamour-Postillen.

Doch da wollen die „stadlers“ gar nicht hin. 1992 am Salzburger Mozarteum gegründet, geht es der Formation um das jeweils Authentische der immer gerade in Angriff genommenen Musik. Sei es nun traditionelles Repertoire oder die Uraufführung von heute. Diese Ernsthaftigkeit – der ein gerüttelt Maß an Humor nicht fehlt – ist das Fundament der Überzeugungskraft. Wenn die Vier sich nun einlassen auf Helmut Lachenmann, dann ist das ein Ereignis für den Komponisten und das Publikum.

Das ambitionierte Münchner Label NEOS präsentierte „String Quartets“ von eben jenem Helmut Lachenmann, der eine Art grenzüberschreitenden Innungsmeister im Gewerbe des gehobensten Komponierens am Beginn des dritten Jahrtausends verkörpert. „Bedient habe ich nie“, sagt Lachenmann. „Ich bin kein Dienstleistungsunternehmen. Derlei Befriedigung wäre zugleich Betrug und Selbstbetrug. Die Unterhaltungsmusik lügt da ehrlicher. Meiner Meinung nach bezieht die Kunst ihre Würde – und ihre früher oder später geborgenheitsvermittelnde Kraft – aus ihrer erneuernden Energie.“ Und die lotet Lachenmann aus. Radikal stellt er immer wieder aufs Neue tradierte Schönheitsideale in Frage, indem er seine Hörlandschaften analysiert, zerlegt, neu „zusammen-denkt-und-setzt“, so nach dem Motto „vom Trümmerfeld zum Kraftfeld“.

Schaben, Pressen, Kratzen, Rauschen lassen das „Versprechen einer neuen Schönheit“ expandieren als „Verweigerung von Gewohnheit“. Mit dem kreativen Effekt von dialektischer Verknüpfung aus Reflexion und Heiterkeit. Zwingender, effektvoller, stringenter, kontrastreicher, spannender, provozierender und als Fülle aus all dem überzeugender lässt sich Lachenmann nicht darstellen. Da zeigt sich die zu gewinnende Kraft aus der Arbeit mit Alter und Neuer Musik. Da zeigen sich Klangqualität, Hirnqualität, mentale Qualität.

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