Eine geradezu absurde Situation: selbst jene Labels, die in den Vorjahren Künstlern oder Ensembles wenigstens geringe Honorare entrichtet haben, zahlen inzwischen nichts mehr, sondern fordern im Gegenteil die Festabnahme von Exemplaren in Hunderter-Stückzahlen. Kurioserweise geht der Tonträger- und Bildtonträger-Markt trotz massiver Klagen um mangelnde Absätze nicht zurück, sondern expandiert weiter. Im schier kaum überschaubaren Angebot befinden sich im Jahre 2017 zahlreiche Erstveröffentlichungen und Repertoire-Erweiterungen, die anzuhören oder anzusehen Freude macht.
Im weiten Feld der nachromantischen Oper sind hier auf Tonträgern etwa zu nennen die Gesamtaufnahmen von Bohuslav Martinus „Griechischer Passion“ in der Erstfassung unter Dirk Kaftan aus Graz (Oehms Classics), Gustav Holsts Falstaff-Variation „At the Boar’s Head“ vom 20. Warschauer Beet-hoven-Festival in Warschau (Dux) und Hans Sommers „Rübezahl“ aus dem Theater Gera-Altenburg unter Laurent Wagner (Pan Classics).
In Bild und Ton prämierenswert scheinen mir auch Walter Braunfels’ „Ulenspiegel“ unter Martin Sieghart aus Linz (Capriccio) und beim selben Label Ernst Kreneks Satire „Kehraus um St. Stephan“ mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter John Axelrod sowie bei Marco Polo Siegfried Wagners wüste Collage von 80 Märchen „An Allem ist Hütchen Schuld!“ mit den Bochumer Symphonikern unter Lionel Friend.
Ähnliches gilt für den Bereich der Kammermusik, hier etwa mit „Complete Piano Works“ von Anton Urspruch, von Ana-Marija Markovina durchaus beherzt und farbig eingespielt. Nicht enthalten sind darauf freilich die Klavierwerke ohne Opuszahlen (darunter das hinreißende Potpourri zu „Das Unmöglichste von Allem“) und die Klavierwerke zu vier Händen (Edition Hänssler).
Bachs Goldberg-Variationen sind in der Einspielung von Jihye Lee und Peter von Wienhardt in der Fassung für zwei Klaviere von Josef Rheinberger und Max Reger zu erleben (Organophon); sie runden den Blick aufs vergangene Jahrhundert ebenso wie das Bild des Umfelds von Richard Wagner eine Bereicherung erfährt durch Complete Original Piano Works des von Wagner zärtlich geliebten Karl Tausig (Artur Cimirro auf Acte Préalable).
Kurios die Romance und Adagio für Horn und Klavier von Felix Draeseke mit Hervé Joulain und Oliver Triendl auf Tyxart und genussreich die Shakespeare-Songs von Purcell bis Korngold und Mary K. Jackson, interpretiert vom unermüdlichen Steven Kimbrough mit Dalton Baldwin am Flügel (Arabesque Records). Noch entlegener, aber lohnend: Lieder und Kammermusik von Karl Weigl mit dem Akadémia Kvartett (Karl Weigl Foundation). Und auch Hans Pfitzners verblüffende eigene Interpretation seiner Eichendorff-Kantate „Von deutscher Seele“ op. 28 ist ausschließlich auf einer Doppel-CD der Hans Pfitzner Gesellschaft e. V. zu erleben.
Um Interpretationen aus dem 21. Jahrhundert ist es ebenfalls quantitativ wie qualitativ trefflich bestellt, etwa mit Olga Neuwirths „Laki“ im „Concertino“ des Trompeters Simon Höfele (DTB) oder Andrea Lorenzo Scartazzinis Oper um den schwulen KönigEdward II.als klanglich fesselnder Uraufführungsmitschnitt der Deutschen Oper Berlin unter Thomas Søndergård (Oehms Classics), oder – als letzter Geheimtipp –„Theatre of the World“ von Louis Andriessen, eine Oper in deutscher Sprache, rund um Athanasius Kircher, Goethe und Voltaire: eine musikalisch witzige Welttheater-Reise (Warner Music).