Im Visier des Kritikers: Milky Chance, Judith Holofernes, Fury in the Slaughterhouse, Depeche Mode und Conor Oberst.
Schöner weinen mit Conor Oberst und seinem Album „Salutations“. Nur so kann es in den Frühling gehen. Ja, das ist großes und rührseliges Songwriter-Gejammer, das Conor Oberst da ungeniert auslebt. Aber bitte. Wer zwei solche Opener (Too late to fixate und Gossamer Thin) aneinander reiht, muss eben mit dem Schlimmsten rechnen. Immer wieder bewundernswert, wie Conor Oberst es schafft, diese Langsamkeit der Songs zu zelebrieren. Keine Sekunde möchte man anschieben oder zum nächsten Song springen. Vielleicht sind es Standbilder, die Conor Oberst da singt und zelebriert. Momente, die nur er so festhalten kann. Die der gemeine Hörer gar nicht wahrnehmen kann. Selbst das kratzende Genöle einer schrägen Violine, die ja sonst ziemlich viel zerstören kann, stört da nicht. Man nimmt sie hin. Ganz einfach so. Und fühlt sich erhellt. Und Songs wie Barbary Coast oder Counting Sheep suchen nicht nur ihresgleichen, sie erheben sich zu einem Ratgeber. Einfach mal alles baumeln lassen. Zeit gewinnen. Ab in den Frühling mit Conor Oberst (Nonesuch Records).
Verdammt düster und damit auch irgendwie komisch beginnt das neue Depeche-Mode-Album „Spirit“. „Going Backwards“ ist für Depeche-Mode-Verhältnisse fast ein wilder, aus dem Ruder laufender Stampfer. Bedrohlich ebnet er den Weg für ein lakonisch dahinwaberndes Album, das sich relativ ungestraft jedes Recht nimmt, noch lässiger als sonst zu klingen. Dave Gahan, der Meister der Gleichgültigkeit, lässt sich auch nicht lumpen und brilliert mit nahezu erhabenem Desinteresse: Als ginge ihn das, was die anderen da so zusammenzimmern schon mal gar nichts an. Nun. Diese Melange funktioniert seit Jahrzehnten prächtig. Fans haben endlich wieder ein Depeche-Mode-Album, Nichtfans können weiter lästern (Columbia Records).
Die deutschen Urgesteine (was für eine furchtbare doch oft treffende Bezeichnung) von Fury in the Slaughterhouse sind sich nicht für eine Werksschau mit dem Titel „30 – The Ultimate Best of Collection“ zu schade. Tut ja beim Lesen schon weh. Noch mehr, dass die Jungs, sorry, Männer, irgendwie den Absprung verpasst haben und ein bis zwei Alben zu lange rumwerkelten. Aber gut. Best of geht immer. So auch hier. Schöne alte Zeiten werden zurückgeholt und da darf man auch gerne mal beherzt zugreifen. Es gibt hier nichts falsch zu machen (Starwatch Entertainment).
Ja mei. Konnte man oder kann man Judith Holofernes je wirklich böse sein? Selbst wenn sie ihr aktuelles Album „Ich bin das Chaos“ tauft und selbiges überraschenderweise ausbleibt? Kann man nicht. Schon ihr erster Ton (Der letzte Optimist) greift das Herz an. Charakterstimme. Niedlich (und das ist gar nicht gemein gemeint). Dazu traurig schleppende Beats und ein ganzes süßes Piano. Toll. „Oder an die Freude“ folgt als Happy-Flappy-Mädchen- Nummer und schafft es, eingefleischte Grunger zum Nicken zu bringen. So geht das weiter und am Ende steht ein wunderbares Album, das so locker klingt, dennoch unser Leben textlich ziemlich spitz seziert hat und uns, bei genauem Hinhören, manche Schwäche aufzeigt oder verrät. Man kann Judith Holofernes immer hören. Da war nie ein Nervfaktor. Und das ist das Schöne. Nicht sie wird aufdringlich. Wir werden es (Warner).
Milky Chance haben ja schon einige Überraschungshits auf dem Buckel (Down by the river, Stolen Dance). Hits finden sich auch auf dem Album „Blossom“. Charakteristisch immer noch der unaufgeregte Stil des Duos. Zwar zielen die Songs deutlich auf radiotaugliche Refrains ab, doch das muss im Fall von Milky Chance nicht verwerflich sein. Sie bleiben sich treu und nicht in jedem Song muss ein stromlinienförmiger Refrain gezimmert werden. Genau deshalb macht „Blossom“ irgendwie Spaß. Natürlich wünschte man sich hier und da Ecken oder Kanten. Denn der markante Gesang kann nicht immer jedes Gerüst tragen. Aber sie sind ja noch jung und brauchen bald kein Geld mehr. Kann also noch werden (Vertigo Berlin).