Wer im vergangenen Kino-Herbst Werner Herzogs geniale Kinski-Hommage „Geliebter Feind“ gesehen hat, konnte am Anfang des Films die Skandal-Szene aus der Deutschland-Premiere von Klaus Kinskis „Jesus Christus – Erlöser“-Tournee 1971 in der Berliner Deutschlandhalle „bewundern“: KK, damals bereits berühmt-berüchtigt als Badezimmer-Kacheln zermalmender brüllender Derwisch mit dämonischen Filmrollen, reagiert auf respektlose Zwischenrufe, die ihn als „Himmelskomiker“ und „alten Ketzer“ ausrufen, seinerseits mit Beschimpfungen à la „dumme Sau“ oder „halt deine Schnauze!“ Er bittet den aufmüpfigen Zuschauer auf die Bühne, lässt ihn nur kurz seine Einwände formulieren, droht dann, ihm mit einer Peitsche eins überzubraten und lässt ihn schließlich von seinen muskelbepackten Leibwächtern entfernen.
Klaus Kinski: Jesus Christus – Erlöser; Bear Family Records BCD 16042 BG Wer im vergangenen Kino-Herbst Werner Herzogs geniale Kinski-Hommage „Geliebter Feind“ gesehen hat, konnte am Anfang des Films die Skandal-Szene aus der Deutschland-Premiere von Klaus Kinskis „Jesus Christus – Erlöser“-Tournee 1971 in der Berliner Deutschlandhalle „bewundern“: KK, damals bereits berühmt-berüchtigt als Badezimmer-Kacheln zermalmender brüllender Derwisch mit dämonischen Filmrollen, reagiert auf respektlose Zwischenrufe, die ihn als „Himmelskomiker“ und „alten Ketzer“ ausrufen, seinerseits mit Beschimpfungen à la „dumme Sau“ oder „halt deine Schnauze!“ Er bittet den aufmüpfigen Zuschauer auf die Bühne, lässt ihn nur kurz seine Einwände formulieren, droht dann, ihm mit einer Peitsche eins überzubraten und lässt ihn schließlich von seinen muskelbepackten Leibwächtern entfernen. Nach einer Viertelstunde Toben und Schreien in seiner Garderobe fängt er noch einmal von vorn an. Mit seiner beeindruckenden Rezitierstimme trägt er eine krude Mischung aus Original-Jesus-Zitaten aus dem Neuen Testament vermischt mit anarchistischen Ideen und Alt-68er-Sprüchen vor – leise säuselnd, introvertiert bis zischend, drohend, brüllend und manchmal ungewollt komisch. Wie hat ihn Werner Herzog, sein Regisseur späterer großer Filme wie „Fitzcarraldo“ oder „Aguirre“, einmal so treffend bezeichnet: „Lichtgestalt, die aus der Hölle kam“.Ein Triumphzug des Rampengenies und Kraftprotzes KK sollte es eigentlich werden, diese Jesus-Tournee, die – lang ersehnt von den immer noch zahlreichen Fans acht Jahre nach seinem Tod – nun bei Bear Family auf CD erstmals erschienen ist. Daraus wurde aber nichts, das Publikum verstand augenscheinlich sein ernstes Anliegen nicht, Jesus als eine Art Hippie-Übervater für die Benachteiligten dieser Welt zu präsentieren. Nachdem Kinski auch den zweiten Anlauf nach bösen Zwischenrufen unterbrochen und sein Mikrofon erzürnt durch die Gegend geschleudert hatte, blieben von den 3.000 anfänglichen Zuschauern ganze 300 übrig, die sich seine Ergüsse noch anhören wollten. „Wie Blitze und Keulen“ wollte er seine Weisheiten „unter die Massen schleudern“, die jedoch bald ausblieben.
Die sogenannten Massen wollten ihn aber lieber als dämonischen, halb-wahnsinnigen Edgar-Wallace-Mimen bewundern. So konnten sie ihn einordnen und archivieren. Doch Klaus Kinski ließ das nie mit sich machen, er hatte nie Angst vor Exzessen jeder Art, vor Beschimpfungen oder starken Worten, er wollte aufrütteln, bewegen. Als tobender „Berufsjugendlicher“ stellte er sich als Jesusfigur auf eine Stufe mit den Obdachlosen, Gammlern und Fixern auf Duzfuß – auch wenn er Millionengewinne aus seinen Filmgagen auf dem Konto hatte. Solches Agieren musste zum Widerspruch anregen und provozieren.
Das ausführliche dicke Booklet enthält Auszüge aus der Lesung – samt Zwischenrufen und -bemerkungen – und einen erhellenden Begleittext von Volker Kühn, der damals in Berlin wirklich live dabei war. Leider ist die CD im Moment im Handel nicht erhältlich, dafür hat die Witwe Kinskis per einstweiliger Verfügung gesorgt. Die nmz berichtet über den Ausgang.