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Lilly Allen
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Lieder schreiben ist eine Kunst

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Neuveröffentlichungen der Popindustrie, abgehört von Sven Ferchow
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Aktuelle Veröffentlichungen von Michael Jackson, Sarah Straub, The Lone Crows, Lilly Allen, Simon Townshend und Coldplay

Coldplay sind ja exakt das, was ihre Landsmänner von Radiohead und Oasis nie sein wollten: Popmusiker. Aber es funktioniert: mehr als 60 Millionen verkaufte Alben. Das Konzept – Popnummern im elegischen Mantel – blieb dabei stets unverändert. Auch das aktuelle Album „Ghost Stories“ ist so ein Allerlei. Da ändert selbst die zuweilen elektronische Grundausrichtung der Rhythmus-Fresken wenig, die eventuell der Teilproduktion von Paul Epworth (u.a. Maximo Park, Bruno Mars) geschuldet ist. Coldplay haben nach wie vor ein Händchen für Popsongs, die zwar nicht von der Stange sind, aber dem talentierten Hörer einfach zu bieder daherblöken. (Warner)

Ein oft vergessener, am Rand stehen gelassener, aber exzellenter Musiker ist natürlich Simon Townshend, der Bruder von Pete Townshend (The Who). „Denial“ nennt sich seine neue Aufnahme. Und bei Gott, es ist ein grandioses Werk. Rockmusik am Rande der Legalität. In jeglicher Hinsicht. Leise wie laute Nummern funktionieren in großer Gefasstheit. Mag sein, dass Simon der bessere Songwriter im brüderlichen Vergleich ist. Allein der Eröffnungsdreier (Mother, Denial, Leavin this town) bläst einem die Perücke auf Halbmast. Aber Vorsicht. Townshends Musik muss man sich erarbeiten. Wo andere vorhersehbare Akkorde platzieren, wird es auf „Denial“ erst richtig interessant. (CD Baby)

Gut fünf Jahre sind vergangen. Nun ist Lilly Allen mit „Sheezus“ zurück. Man muss diese poporientierte, anglo-amerikanische R&B Musik mit ihren ganzen Zitaten und Ausleihen nicht zwingend mögen. Weil das alles in den letzten Jahren ordentlich verbraten und abgedroschen wurde. Aber Lilly Allen ist ein Talent. Ihr drittes Album bleibt genau deshalb frisch, umkurvt jede peinliche Anbiederung und ist Musik, die man immer hören mag. Ohne Nervfaktor. Ob das nun frech ist oder einzigartig, wen interessiert das schon? Wenn schon Popmusik, dann darf sie gerne mal im „understatement“ züngeln. (Warner)

Unter uns: The Lone Crows ist ein bedenklicher Bandname, aber nun gut. Aus Minneapolis kommen sie, die Hardrocker. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist. Der Bandinfo-Gestalter hört nämlich noch Blues und Psychedelic Jam. Beim Blues kann man noch ganz bei ihm sein. Aber Psychedelic Jam? In erster Linie sind die Jungs sehr gute Musiker. Das Zusammenspiel stimmt, die Songs haben genug Lässigkeit, aber desgleichen Tiefe, um zu bestehen. Leider erinnert die Produktion eher an einen OP-Saal als an ein Rockalbum. Keine Keime, Bakterien oder Viren. Das Ungeziefer, der Rotz, das Blut, das wurde alles vasektomiert. Schade. Denn ab und an, wenn die Burschen richtig Gas geben, rollt eine amtliche Welle auf den Hörer zu. Warten wir das nächste Album ab. Die Richtung stimmt. (World in Sound)

Nun, dass Dillingen an der Donau außer einer Fortbildungsakademie für Lehrer ebenfalls eine Singer/Songwriterin zu bieten hat, lässt aufhorchen. Sarah Straub heißt jene, „Red“ ihr Album. Tolle Stimme, tolle Band, tolle Produktion, tolle Arrangements. Das steht klar auf der Habenseite. Aber – die Frage darf wohl gestellt werden: Wo ist der Unterschied zu all den anderen Alben, Platten und Künstler, die im Lauf eines Monats erscheinen und vorgestellt werden sollen? Zuletzt entscheiden das freilich zu Recht die Hörerin und der Hörer. Und der richtige Zeitpunkt. Aber sind es nicht manchmal die Ecken, die Kanten, die ruppigen Ausflüge, die einen musikalischen Wiedererkennungswert haben? Die das Herz wärmen und die Seele trösten? Wenn überhaupt, dann kann man das Sarah Straub anlasten. Es ist zu perfekt. (Donnerwetter/Cargo)

Leider, es muss sein. „Xscape“, das zweite posthum veröffentlichte Album von Michael Jackson darf nicht vergessen werden. Aus unbekannten Gründen veröffentlicht Epic Records acht neue Songs von Michael Jackson. Und damit der Rubel rollt, fungierte der Epic-Records-Chairman „L.A.“ Reid als Executive Producer und hatte wenigstens den guten Einfall, Timbaland als einen der Hauptproduzenten zu engagieren. Mag sein, dass „Xscape“ durch Timbaland kraftvoller klingt als „Michael“, das erste posthum veröffentlichte Album. Aber unterm Strich ist „Xscape“ seelenlos, plätschernd und letztendlich beliebig. Ob der „King of Pop“ das so durchgewunken hätte? Streitbar. 


 
 

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