Das Bigbandsterben der Nachkriegszeit, die Tendenz der Zeit zu kleinen Gruppen, sowohl im Modernen Jazz als auch im Dixie Revival, führten dazu, dass Satchmo ab 1947 im Sextett mit seinen All Stars auftrat. Mit ihnen beschritt Armstrong den Sonderweg eines modernisierten New Orleans-Jazz. Die Wahl der Instrumente und das Repertoire suggerierten Oldtime, was es rhythmisch längst nicht mehr war. Waren seine Mitmusiker anfangs Stars, ja wie Earl Hines und Jack Teagarden gleich ihm stilbildende Genies des Jazz, so waren die Kollegen in seinen letzten Formationen nur deshalb Stars, weil sie mit ihm spielten. Diese Wende begann sich schon abzuzeichnen als am 21. Januar 1955 in Los Angeles ein Konzert aufgenommen wurde, das früher auf zwei LPs, nun aber vollständig auf drei Silberlingen als „Louis Armstrong At The Crescendo 1955“ beim Label American Jazz Classics veröffentlicht wurde.
Zur ersten Garnitur zählten der witzige Trummy Young, einst Starposaunist bei Jimmie Lunceford, Barney Bigard, einer der großen Klarinettenmeister aus New Orleans, der lange das Duke Ellington Orchestra bereichert hatte und Billy Kyle, ein im Modernitätsgrad eines Teddy Wilson musizierender Pianist, der durch John Kirby in den 30er Jahren prominent geworden war. Die drei und der kompetente Bassist Arvell Shaw werden von Armstrong ausgiebig gefeatured. Der Schwachpunkt ist der Drummer Barrett Deems, der zwar nicht schlecht, aber verglichen mit dem einfallsreichen Sidney Catlett, farblos musizierte. Man wundert sich über die Wahl. Da müssen menschliche Gründe eine Rolle gespielt haben, die ja unter Umständen größere Auswirkungen auf sein Wohlbefinden und damit auf sein eigenes Musizieren gespielt haben als die rein musikalische Unterstützung. Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt auch Velma Middleton, eine eher mittelprächtige Sängerin, der er viele Jahre die Stange hielt, wohl weil sie für humoristische Akzente sorgte und auf der Bühne im Miteinander hörbar einfach sehr gute Laune entfaltete.
Die bedeutenden Alben des Mittfünfzigers sind eigentlich jene, die ihn mit ungewohntem Repertoire („Plays Fats“, „Plays W.C.Handy“), seit Jahrzehnten nicht mehr gespielten Stücken („Musical Autobiography“) oder ungewohnten Partnern (Ella Fitzgerald, Oscar Peterson) vor größere Herausforderungen stellten. Ihre Meisterung zeigte, dass er immer noch die Kreativität der jüngeren Jahre besaß, als er als erstes solistisches Genie der Trompete in die Jazzgeschichte einging. Dass daran überhaupt gezweifelt werden konnte, liegt weniger an den kommerziellen Eintagsfliegen, die er auf Platten sang, sondern an der Einförmigkeit seiner Konzerte. Während ein Duke Ellington in Live-Konzerten neben immer nachwachsenden neuen Stücken stets auch alte präsentierte, die gründlich umgemodelt waren, während ein Miles-Davis-Konzert immer den wandelnden Stand der Jazz-Entwicklung aufzeigte, hörte man bei Armstrong nicht nur eine Auswahl aus einem relativ engen Repertoire, nach denen das Publikum offensichtlich dürstete, sondern auch die fast gleichen Soli dazu. Die Bedeutung des Crescendo-Konzertes, das freilich nicht den historischen Stellenwert des Town Hall oder Symphony Hall-Konzerts hat, liegt darin, diese Alltagssituation auf hohem Niveau festgehalten zu haben. Man kann heute nach Jahrzehnten Abstand diese Routine, die damals die Puristen so ärgerte, mit anderen Ohren hören, allein schon weil wir leider nicht mehr die Möglichkeit haben, in jedem Konzert das Gleiche vorgesetzt zu bekommen. Für das Crescendo-Konzert hatte sich Armstrong nichts „Besonderes“ zurechtgelegt. Das zeigt auch das Bonus-Material, bislang eher seltene Aufnahmen vom August 1954 aus dem New Yorker Basin Street Club. Man irrt, wenn man glaubt, Armstrong, der mehr auftrat als sonst einer, habe es sich leicht machen wollen. Er nahm seine Konzerte auf Tonband auf und hörte sie nach getaner Arbeit kritisch durch. Und wenn er ein Detail fand, das ihm gefiel, beschloss er es zu wiederholen, ja, er, der in den 20er Jahren der ganzen Welt die Möglichkeiten der Improvisation aufzeigte. Das ist zäher Fleiß am Feilen, nicht Bequemlichkeit. Ist das Tonband nun Fluch oder Segen?
Immerhin arbeitete Armstrong mit seinen eigenen Klischees, die im Wiederhören große Emotionen auslösen. Seine Soli haben klassischen Status und hatten es schon damals. Hört man, wie sie sich in zwingender und swingender Folgerichtigkeit entwickeln, müsste man taub sein, um nicht dem zur festen Form Gewordenen die gleiche Würde zuzugestehen. Das einmal von Louis Gefundene und von Auftritt zu Auftritt Vervollkommnete ist auch ein Ideal, und, wenn es mit Satchmos von niemandem übertroffenen Jazzfeeling, seiner Wärme und Unmittelbarkeit geboten ist, beglückend.